Samaritaner: Die Wächter der Mitte
Das Gleichnis vom „barmherzigen Samariter“ ist eine der bekanntesten Erzählungen aus dem Neuen Testament. Jesus appelliert darin an die aktive Nächstenliebe von uns allen: Ein Mann wird auf dem Weg von Jerusalem nach Jericho überfallen. Ein Priester geht an ihm vorüber, ohne Hilfe zu leisten, wechselt sogar die Straßenseite. Genau wie ein Levit, also ein Tempeldiener. Ein Mann aus dem Volk der Samaritaner aber bleibt stehen und versorgt den Verletzten, bringt ihn in eine Herberge und zahlt den Wirt für die weitere Versorgung des Mannes.
Die Samaritaner waren eine Volksgruppe, die ursprünglich zum Judentum gehörte. Als die Assyrer die jüdische Bevölkerung um 600 v. Chr. aus Babylonien ins Exil verschleppten, blieben die Vorfahren der späteren Samaritaner verschont. Zurückgeblieben mischten sie sich mit den Menschen, die die Assyrer in Israel ansiedelten. Deswegen galten sie den Juden, die irgendwann aus der Gefangenschaft zurückkehrten, als unrein und damit nicht mehr dem Judentum angehörig. Daraus erklärt sich auch die Botschaft des Gleichnisses: Diejenigen, die für die „reine“ Religion stehen, der Priester und der Levit, helfen nicht, wohl aber der „Unreine“, der Samaritaner. Nächstenliebe ist wichtiger als formale Rechtgläubigkeit.
Aber wie ging es mit den Samaritanern weiter? Kontakt und Austausch mit Fremden bliebt für sie ein Thema durch die Jahrhunderte. Sie nahmen zwar manches Verhalten der jeweiligen Herrscher der Region Samariens an und integrierten diese in ihre eigenen Traditionen, dennoch schafften sie es, ihren eigenen Glauben und ihre Kultur zu bewahren.
Bis heute bestimmen Traditionen den Alltag vieler Samariter:innen. So wird der Sabbat durch strenge Vorschriften geregelt. Genau wie bei orthodoxen Juden und Jüdinnen muss während dieser Zeit alle Arbeit ruhen, darf kein Licht, kein Feuer entzündet werden und während nahezu des gesamten Sabbat beten die Männer und lesen aus den heiligen Schriften. Zu denen zählen die Samaritaner ausschließlich die fünf Bücher Mose, die sie in der ursprünglichen hebräischen Schrift, die auf dem phönizischen und aramäischen Alphabet basiert, schreiben und bis heute oftmals eigenhändig kopieren.
Heute gibt es noch rund 800 Samaritaner:innen. Die Hälfte von ihnen lebt auf dem Berg Gerizim in der Nähe von Nablus auf palästinensischem Gebiet im Westjordanland. Die andere lebt in Cholon, einer Vorstadt von Tel Aviv. Sie sprechen Arabisch und Hebräisch, beides als Muttersprachen. Sie bewegen sich frei und ohne größere Konflikte sowohl unter Israelis als auch unter Palästinensern. Das ist aufgrund des so lange anhaltenden politischen Konfliktes in dieser Region außergewöhnlich, und die Samaritaner:innen versuchen, es zu nutzen, um zu Friedensbegegnungen beizutragen. Viele von ihnen verstehen sich als israelisch und palästinensisch zugleich, viele haben sogar zwei Pässe. Sie sind im palästinensischen Parlament vertreten und werden zugleich von Israel unterstützt.
Auch wenn sich der Kontakt mit beiden Konfliktparteien in der Regel problemlos gestaltet, achten die Samaritaner:innen doch darauf, sich mit keiner der beiden Gruppen zu mischen. Geheiratet wurde bis vor kurzem nur innerhalb der eigenen Gemeinschaft, was viele Probleme mit sich brachte. Heute ist es samaritanischen Männern gestattet, auch Frauen von außerhalb der Gemeinschaft zu heiraten; diese werden jedoch dazu verpflichtet, die alten Traditionen zu übernehmen und zu wahren und sie an ihre Nachkommen weiterzugeben. So soll sichergestellt werden, dass die kleine Glaubensgemeinde auch in Zukunft noch weiter existiert und im besten Fall sogar wächst.
Das Bibelmuseum in Frankfurt-Sachsenhausen, Metzlerstraße 19, zeigt vom 1. März bis 28. Mai die Ausstellung „Respekt: Samariter*innen in der Bibel und heute“. Zu sehen sind unter anderem Videos des israelischen Filmemachers Moshe Alafi über die noch heute „biblische“ Lebensweise von Samaritern und Samariterinnen. Außerdem sind Handschriften, Drucke und Artefakte zu sehen, die die Geschichte dieser Gemeinschaft anschaulich machen. Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit dem „Yeshiva University Center for Israel Studies und dem Museum of the Bible“ entwickelt.
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