Gott & Glauben

Religionspädagogin: Naive Gottesvorstellungen sind nicht typisch für Kinder

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Traditionelle Modelle gehen davon aus, dass sich das religiöse Bewusstsein bei Menschen stufenweise entwickelt, von eher naiven Gottesvorstellungen bei Kindern hin zu abstrakten und differenzierten bei Erwachsenen. Neue Forschungen lassen daran aber zweifeln. Denn auch Kinder können abstrakt denken, und die problematischen Gottesbilder werden vor allem von Erwachsenen verbreitet.

Kinder haben naive Gottesbilder? Stimmt gar nicht. Kinder können durchaus abstrakt denken, der alte Mann mit dem weißen Bart wird ihnen erst von Erwachsenen eingeredet. |Foto: Colourbox
Kinder haben naive Gottesbilder? Stimmt gar nicht. Kinder können durchaus abstrakt denken, der alte Mann mit dem weißen Bart wird ihnen erst von Erwachsenen eingeredet. |Foto: Colourbox

Die Rostocker Religionspädagogin Anna-Katharina Szagun hat die gängigen Theorien zur religiösen Entwicklung von Kindern in Frage gestellt. Eine Rostocker Langzeitstudie mit 200 Kindern und Jugendlichen im Alter von 3 bis 19 Jahren lasse an den traditionellen Modellen einer stufenweisen Entwicklung des religiösen Bewusstseins zweifeln, sagte die Professorin auf einer Bildungskonferenz der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in Frankfurt.

Kinder zeigten schon im Kindergartenalter mit intuitiv gestalteten Bildern und Figuren-Szenen, dass sie abstrakt auf einer übertragenen Ebene denken können. Kinder konstruieren religiöse Konzepte kreativ aus Versatzstücken, die sie in ihrer Umgebung aufschnappen. Die Darstellung von Gott in Menschengestalt sei dabei wesentlich durch Erwachsene angestiftet. Besonders nachhaltig fixiert würde diese Vorstellung bei atheistischen oder fundamentalistischen Familien. Bei Kindern aus religiös reflektierten Kontexten fehlten solche Anthropomorphismen fast völlig.

Volkskirchliche Überlieferungen förderten allerdings unbewusst „problematische Schienensetzungen“, wie Szagun sagte. Wenn traditionelle theologische Begriffe mit der Lebenswelt der Kinder aufeinander prallen, führe das „automatisch zum Missverstehen“, erklärte die Religionspädagogin. So werde Gott als Mann oder Über-Vater verstanden, der Himmel als Atmosphäre und der Heilige Geist als ein Gespenst.

Eine Folge dieser problematischen und falschen Bilder ist, dass die meisten Kinder und Jugendlichen später „in der Symbolkritik steckenbleiben“ – nämlich spätestens, wenn sie wissen, dass Gott kein Mann und die Atmosphäre kein Wohnort für Engel ist. Szagun regte an, lieber mit Hilfe von Metaphern und Analogien über Gott zu sprechen. „Wir müssen die Inhalte aus alten Schachteln holen“, forderte Szagun auf.

An der gesamtkirchlichen Bildungskonferenz in der Evangelischen Akademie Frankfurt nahmen rund 70 Theologinnen, Religionspädagogen und Erzieherinnen aus ganz Hessen teil.


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