Neue Feindbilder, alte Muster
Der Anschlag von Hanau, die Debatte um den kamerunischen Historiker Achilles Mbembe, der die Ruhrtriennale eröffnen sollte und am Existenzrechts Israels zweifelte, wie auch die immer wiederkehrenden, meist hitzigen Diskussionen um den Nahost-Konflikt machen eines klar: Wir brauchen dringend eine fundierte Auseinandersetzung mit den Zusammenhängen zwischen Antisemitismus und anti-muslimischem Rassismus.
Kann man Antisemitismus und Islamophobie als ähnliche oder gleiche Phänomene verstehen? Sind die Muslime die Juden der Gegenwart? Oder verbieten sich solche Betrachtungen? Über diese Fragen wird in Öffentlichkeit und Wissenschaft, sozialen Medien und Feuilletons heftig gestritten. „Antisemitismus und Islamophobie – ein Vergleich“, heißt ein bereits 2009 erschienenes und jetzt neu überarbeitetes Buch der Medienwissenschaftlerin Sabine Schiffer und des Religionswissenschaftlers Constantin Wagner, in dem sie „den aktuellen Diskurs über Islam und Muslime untersuchen, um zu prüfen, inwiefern islamfeindliche Muster vergleichbar beziehungsweise unterschiedlich sind“.
An aktuellen wie auch historischen Beispielen zeigen sie, dass Antisemitismus und Islamophobie über entscheidende Gemeinsamkeiten verfügen, die zu erkennen die Voraussetzung für die Bekämpfung von beiden ist. Denn offensichtlich verhindere die Erinnerungskultur um den Holocaust nicht, dass der Antisemitismus weiterlebe und auch neue Formen von Rassismus entstünden – etwa immer wieder das Feindbild Islam.
Dabei machen Schiffer und Wagner klar, dass es nicht darum gehen dürfe, den Holocaust und die Verbrechen des Nationalsozialismus in irgendeiner Form mit heutigen islamfeindlichen Tendenzen gleichzusetzen. Dennoch lohne es sich in diesem Zusammenhang, sowohl die lange Tradition des Antisemitismus vor der NS-Zeit zu analysieren und als Ausgangspunkt zu nutzen, um heutige Narrative zu verstehen.
Sind Mohammed-Karikaturen die antisemitischen Postkarten von heute? Gleichen die Proteste gegen den Moscheenbau in deutschen Städten dem „Juden-Raus“-Ruf des Kaiserreiches? Mechanismen der Stigmatisierung und Ausgrenzung von Minderheiten, so sehen das die Autor:innen, sollten in jedem Fall auch in Zukunft vergleichend zu analysieren sein.
Der Band widmet sich den Hintergründen alt-neuer Feindbilder gegen Muslime und Juden in Deutschland, wobei auch Medienexperten und Angehörige beider Gruppen zu Wort kommen. Die Antisemitismusforschung insgesamt habe gezeigt, dass „Antisemitismus ein vom Judentum getrenntes Phänomen zu behandeln ist, und ferner, dass auch andere Gruppen in die historisch vor allem den Juden zugeschriebene Rolle fallen können“, schreiben Schiffer und Wagner in der Schlussbetrachtung. Damit liefern Sie auch in der neuen Ausgabe des Werks viel Stoff für eine weitergehende Diskussion, die zu den drängenden der Gegenwart gehört.
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