„Maria 2.0“: Frauen wollen eine neue Kultur für die katholische Kirche
„Kirche als Ort der Enttäuschung, das darf nicht sein“, sagt Monika Humpert. Die Rechtsanwältin ist Bildungsbeauftragte der katholischen Jesuitengemeinde St. Ignatius und eine der Frankfurter Mitbegründerinnen von Maria 2.0. Die deutschlandweite Initiative gründete sich 2018 aus Protest gegen kirchliche Strukturen, in denen Priester und Mönche weitgehend ungeahndet sexuellen Missbrauch an Minderjährigen begehen konnten.
Inzwischen ist aus „Maria 2.0“ eine Bewegung geworden, die grundsätzlich Fragen zur katholischen Kirche stellt. Bundesweit gibt es mittlerweile hunderte Gruppen. Viele der Aktivistinnen sind seit Langem in der Kirche engagiert. Was sie eint, ist die Sehnsucht nach einer Kirche, in der alle Menschen gleichberechtigt sind. Und gleich würdig behandelt werden, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Geschlecht und ihrer sexuellen Orientierung. Das Streben nach einer „Liebe, in der das Leid der Schutzlosen wichtiger ist als die Macht und die Makellosigkeit der katholischen Kirche“, wie es auf der Website mariazweipunktnull.de heißt.
„Maria 2.0“ versteht sich als Teil der katholischen Kirche. Für die meisten Frauen, die sich hier engagieren, ist Austritt deshalb keine Option, auch nicht der Übertritt zu einer anderen, etwa der evangelischen Kirche. Einfach dableiben jedoch ebenso wenig. Die Aktionen finden deshalb bewusst immer draußen vor der Kirche statt. An diesem Grenzort vor den Türen muss vorbei, wer hinein oder hinaus möchte. Es ist ein offener Ort als Kontrapunkt zu einem geschlossenen System. Ein Ort, an dem die Frage „Wo ist mein Ort im Glauben?“ lebendig ist: Will ich hinein? Bleibe ich hier? Gehe ich auf Distanz? Zugehörigkeit ist hier nicht gleichbedeutend mit bedingungsloser Identifikation, sondern wird eine individuell zu beantwortende Frage.
2019 zog „Maria 2.0“ in der Frankfurter Innenstadt jeden Tag vor eine andere Kirche – mit Andacht, Gebet, Information, und erhielt viel Zuspruch, auch vonseiten des Klerus. Eine Provokation jedoch sei es für die Kirchen-oberen gewesen, dass die Frauen von „Maria 2.0“ am Sonntag nicht zur Messe gegangen sind. Da wohl wurde spürbar: Wir ziehen nicht mehr mit, es gibt eine Grenze.
Die Studie zum sexuellen Missbrauch habe das Vertrauen der Menschen in den Klerus erschüttert, sagt Monika Humpert. Niemand könne seither mehr davon ausgehen, dass die Kirchenoberen richtig handeln würden, und wer dazu schweige, mache sich mitschuldig. Aber „Maria 2.0“ will nicht polarisieren, sondern den Raum für eine umfassendere Perspektive öffnen. Das macht die Initiative auch überkonfessionell interessant: Von protestantischen Frauen käme viel Zuspruch, erzählt Humpert. Sie selbst sieht „Maria 2.0“ in der Rolle einer Geburtshelferin. Aktion und Kontemplation wechseln sich dabei ab. Die Frauen wollen den Reformprozess „bestärken, begleiten, beflügeln“. Nicht noch mehr negative Dynamik verursachen.
Die Frankfurter Gruppe von „Maria 2.0“ trifft sich jeden zweiten Donnerstag im Monat um 19 Uhr vor dem Dom. Im Kern sind es nur bis zu zehn Frauen, aber ihre Aktionen ziehen regelmäßig viel Aufmerksamkeit auf sich, so wie zuletzt Anfang Oktober, als sich in Frankfurt der „Synodale Weg“ traf, eine Versammlung, mit der die katholische Kirche Reformen auf den Weg bringen will.
Auch einige Männer aus dem Klerus zeigen sich aufgeschlossen und begegnen „Maria 2.0“ mit Empathie. Deshalb konnte die Gruppe Anfang Oktober zum Abschluss der Tagung des Synodalen Wegs ihren Gottesdienst im Frankfurter Dom feiern. Vor zwei Jahren wäre das noch unvorstellbar gewesen. Schwestern und Brüder auf Augenhöhe also – oder, wie es die benediktinische Ordensschwester Philippa Rath, Mitglied des Synodalen Wegs, formulierte: „Ich bin überzeugt, dass die Frauenfrage schon sehr bald eine Frage von Sein oder Nichtsein für unsere Kirche werden wird.“
„Es wurde alles gesagt und gehört. Und es wurde sogar verstanden“, meint Monika Humpert. Jetzt gehe es darum, den Prozess am Laufen zu halten. Die Kirche als Institution sei wichtig, noch wichtiger jedoch seien die Menschen, die einander als gottbezogen erkennen können. Als Licht der Welt. Und als Salz der Erde.
1 Kommentar
…lebe als selbständiger seit 30 Jahren in Sachsen…bin im katholischen Unterfranken als Ministranten sozialisiert…und mit 40 ausgetreten….hier er-lebe ich eine Gesellschaft, die konsequent atheistisch geprägt wurde….die sozialistische Ideologie hat die Menschen ähnlich deformiert und ihrer kraftvollen Seele beraubt, wie eine verknöcherte Institution wie die Weltkirche ihre „Kinder „ beraubt. 100 Jahre nach der Entdeckung der Quantenphysik und in einer (westlichen) Weltgemeinschaft, die irgendwie registriert, dass sie mit ihrem Latein am Ende ist, kommt niemand mehr mit einem antiquierten gottesbild weiter…die Jugend ist längst weg. Es braucht eine offene, zielgerichtete Kommunikation über die Frage, an was der Mensch im 21. Jahrhundert Sinn-voll glauben kann…ohne einen tiefen Sinnbezug zum Dasein, werden wir echte!….quasi krasse Probleme hier auf diesem Planeten „anziehen „…. Dankeschön fürs lesen… DA bin in W.