Gott & Glauben

Käßmann im Haus am Dom: „Verschieden können wir gerne bleiben“

Für ein Zusammenrücken der christlichen Kirchen hat sich Margot Käßmann, evangelische Theologin und ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, im Haus am Dom in Frankfurt ausgesprochen. Sie diskutierte im Rahmen des Walter-Dirks-Gedenkens mit dem katholischen Stadtdekan Johannes zu Eltz.

Johannes zu Eltz und Margot Käßmann bei ihrem Gespräch in Frankfurt. | Foto: Rolf Oeser
Johannes zu Eltz und Margot Käßmann bei ihrem Gespräch in Frankfurt. | Foto: Rolf Oeser

Zusammen eine Mahlzeit einnehmen, obwohl man unterschiedlich tickt: Das kennen die meisten Menschen aus ihrem privaten Leben, Margot Käßmann ist da keine Ausnahme. „Wer heute mehrere Freundinnen und Freunde zum Essen einladen will, muss ja auf vieles achten: Wer isst kein Fleisch, wer lebt vegan, wer kann nur gutenfreie Nahrungsmittel zu sich nehmen?“ Eine Herausforderung, aber keineswegs unschaffbar, wenn alle tolerant sind und die Essgewohnheiten der anderen akzeptieren. „Einmal allerdings sagte eine Frau zu mir, sie werde nur kommen, wenn ausschließlich und für alle nur vegetarische Speisen angeboten würden. Das fand ich schwierig.“

Alle an einem Tisch: Für mehr gemeinsame Eucharistiefeiern der christlichen Kirchen haben sich am Freitagabend sowohl Margot Käßmann als auch der katholische Stadtdekan Johannes zu Eltz ausgesprochen, die zum Podiumsgespräch anlässlich des Walter-Dirks-Tages im Großen Saal des Hauses am Dom zusammengekommen waren – unter dem Motto „Armut und Reichtum als Anfrage an die Einheit der Kirche“. Der Publizist, Pazifist und Sozialist Walter Dirks (1901-1991) hatte das 20. Jahrhundert auf engagierte und höchst eigene Weise kommentiert und gilt vielen als großer Frankfurter Denker. Auch mit der Veranstaltungsreihe Dirks DenkBar erinnert das Haus am Dom regelmäßig an ihn. Dirks hat die katholische Kirche mit Blick auf die sozialen Spaltungen lokal und global zu einem entschiedenen ökumenisch-christlichen Handeln aufgerufen. Margot Käßmanns theologischer Hintergrund passt gut dazu: Sie verfasste 1989 ihre Dissertation: „Die eucharistische Vision. Armut und Reichtum als Anfrage an die Einheit der Kirche in der Diskussion des Ökumenischen Rates”. Für den Dirks-Tag 2022 präsentierte Käßmann ein Update ihres frühen theologischen Entwurfes. Sie sagte: „Im täglichen Miteinander merken wir schon Unterschiede, und verschieden können wir gerne bleiben. Wir brauchen aber eine eucharistische Vision, für den Tisch des Herrn, aber auch in der Welt!“ Die Veranstaltung moderierte Dr. Thomas Wagner von der Katholischen Akademie Rabanus Maurus in Frankfurt.

Eucharistie und das Abendmahl seien der Ort, an dem die Lehre der Kirche und die Ethik zusammenkommen. Diese dürften nicht auseinanderfallen, wenn die Kirche glaubwürdig Kirche sein wolle – gerade in der heutigen Zeit, in der Christinnen und Christen in der Minderheit seien.

Eng verbunden ist diese Glaubwürdigkeit für sie mit der Frage von gemeinsamer Eucharistie unterschiedlicher christlicher Konfessionen. In anderen Ländern sei das Abendmahl oft genau das, nämlich eine richtige Mahlzeit, berichtet Käßmann, „auch mit Kartoffeln im Soßentopf, der in die Mitte gestellt wird.“ Eucharistie als gemeinsames Essen also, als familiäre Zusammenkunft. So stellte sie einen Bezug zum Thema Armut hin: „Wenn wir in die eine Familie taufen, gibt es keinen Nationalismus mehr. Wenn wir Brot und Wein teilen, gibt es keinen Besitz mehr. Wenn wir wirklich Geschwister im Glauben sein wollen, kann uns diese Überlegung nicht kalt lassen.“

Immer wieder hatte sich auch der katholische Stadtdekan Johannes zu Eltz in der Vergangenheit unter bestimmten Umständen für eine wechselseitige Teilnahme an der Eucharistie ausgesprochen. Er forderte auf dem Dirks-Podium: „Die Eucharistiefeier lebt von der Glaubwürdigkeit der symbolischen Performance – und sie wird zerstört, wenn die Handlung dem stark widerspricht, was vorher behauptet wird.“ Er forderte: „Die Kirche darf Eucharistie für alle nicht daran scheitern lassen, dass sie esoterische Zugangsbeschränkungen formuliert.“

Zum Thema Armut sagte zu Eltz, die katholische Kirche sei keine arme Kirche, sondern reich an Menschen, an finanziellen Möglichkeiten und Gebäuden, reich an gesellschaftlichen Wirkungsmöglichkeiten. In Frankfurt sei die katholische Kirche, auch dank Personen wie Walter Dirks, „linksgedreht“. Sie trete stark für soziale Belange ein. Zu Eltz räumte ein, Käßmanns „Vision einer versöhnten Welt“ sei schon schöner und stärker als die Annahme, dass die Kirchen in versöhnter Verschiedenheit zusammentreten können. „Ich sehe aber nicht, wie Ihre Vision gewonnen werden könnte“, so der Stadtdekan. Verschiedenheit sei ja aber nicht schlimm, lautete Käßmanns Erwiderung.

Verliehen vom Haus am Dom und dem Haus der Volksarbeit ehrt der Walter-Dirks-Preis, der nach dem Publizisten Walter Dirks benannt ist, seit 2010 Menschen, die unkonventionelle Brücken zwischen Konfessionen, Religionen, gesellschaftlichen Gruppen und Parteien bauen – wie Dirks seinerzeit. Frühere Preisträger waren unter anderem Meron Mendel als Direktor der Begegnungsstätte Anne Frank und Wolfgang Kessler, der frühere Chefredakteur des christlich-politischen Magazins Publik Forum.


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Anne Lemhöfer 145 Artikel

Anne Lemhöfer interessiert sich als Journalistin und Autorin vor allem für die Themen Kultur, Freizeit und Gesellschaft: www.annelemhoefer.de

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