Gott & Glauben

Hilft auch gegen Heimweh: Die evangelische chinesische Gemeinde in Frankfurt

Schon seit 25 Jahren gibt es in Frankfurt eine evangelisch-freikirchliche chinesische Gemeinde. Sie ist seither stetig gewachsen und finanziert sich einen eigenen Pfarrer. Für viele Mitglieder ist die Gemeinschaft auch Hilfe gegen Einsamkeit und Heimweh.

Chen Kent ist Pfarrer der chinesischen freikirchlichen Gemeinde in Frankfurt. | Foto: Rolf Oeser
Chen Kent ist Pfarrer der chinesischen freikirchlichen Gemeinde in Frankfurt. | Foto: Rolf Oeser

Pfarrer Chen Kent hat über eine Videosoftware in einen virtuellen Gebetstraum eingeladen. Hier können Gemeindemitglieder Anliegen teilen und füreinander beten. Eine Frau erzählt von ihrer zwölfjährigen Nichte in China, die jeden Tag 15 Stunden lernen muss. Das chinesische Schulsystem ist sehr streng, und auf ihrer Stirn erscheint eine Sorgenfalte. Eine andere Frau fragt sich, ob ihre Kinder in der Schule gesund bleiben, ein Mann denkt an seinen psychisch kranken Sohn, ein anderer klagt über Magenschmerzen. Der virtuelle Gebetsraum ist einer von acht Kleingruppen, die Kent nach dem bilingualen Online-Gottesdienst am Sonntag zusammengestellt hat: „So bleiben wir in engem Kontakt.“

Von März bis August konnte sich auch die freikirchlich-christliche chinesische Gemeinde nur virtuell treffen. Normalerweise feiert sie ihre Gottesdienste in der Andreaskirche in Eschersheim. Schon seit 1995 ist sie dort zu Gast, und ihre Mitgliederzahl ist seither stetig gewachsen. Von den heute 140 Gemeindemitgliedern nehmen nach Auskunft von Kent gewöhnlich rund 80 an den nachmittäglichen Sonntagsgottesdiensten teil. Sie werden auf Chinesisch, einmal im Monat aber zweisprachig gefeiert, damit auch deutsche Ehepartnerinnen und -partner etwas verstehen.

Die Gemeinde besteht zu etwa 60 Prozent aus Familien, den Rest stellen junge alleinstehende Berufstätige und Studierende. Sie arbeiten großenteils in der IT-Branche und verlassen das Rhein-Main-Gebiet nach ein paar Jahren oft auch wieder, und damit auch die Gemeinde. Es gibt also eine recht hohe Fluktuation. Neben den Gottesdiensten gibt es für Kinder und Jugendliche besondere Angebote, etwa „Sonntagsschulen“, die allerdings am Samstag stattfinden.

Den Kern der Gemeindearbeit bilden neun Bibelgesprächskreise, die von Pfarrer Kent und Mitgliedern des Gemeinderats geleitet werden. Sie lesen in der Bibel und sprechen über die Lebenssituation der Teilnehmenden: Themen sind Ehe und Familie, Singlesein, Berufstätigkeit oder Studium. Auf diese Weise sei der Zusammenhalt in der Gemeinde sehr eng, erzählt Kent. Die Gemeinschaft hilft gegen Heimweh und Einsamkeit.

Chen Kent ist seit 2014 Gemeindepfarrer in Frankfurt. Der heute 43-Jährige ist verheiratet und hat mit seiner Frau drei Töchter. Aufgewachsen ist er in einer christlichen Familie in Taiwan, hat erst Elektrotechnik in Ulm studiert und schließlich ein Priesterseminar in Taiwan besucht.

In Deutschland gibt es rund dreißig freikirchliche evangelische chinesische Gemeinden. Die Frankfurter Gemeinde finanziert sich und ihren Pfarrer selbst. Kent wünscht sich mehr Austausch mit evangelischen Gemeinden in Frankfurt, auch über die lose Verbindung zur Andreasgemeinde hinaus.

Verbindungen der Gemeinde nach China bestehen dagegen gar nicht. Dort wird freie Religionsausübung vom Regime unterdrückt, die Bibel zum Beispiel darf gar nicht verkauft werden. Nach offiziellen Angaben sind 2,5 Prozent der Bevölkerung christlich, was wenig klingt, aber in Zahlen immerhin 35 Millionen Menschen sind. In Wirklichkeit könnten es bis zu 90 Millionen sein, denn viele Christinnen und Christen sind auch in Untergrundkirchen organisiert, von denen viele schon zu Maos Zeiten entstanden.

„Die Lage für Christen in China ist schlimm“, sagt Kent, „da muss man sich schon überlegen, ob man wirklich zu seinem Glauben steht.“ Hier im Westen hätten die Menschen natürlich viel mehr Möglichkeiten. „Aber wer Christ ist, denkt darüber nach, welche Werte im Leben wirklich zählen.“


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Autorin

Stephanie von Selchow ist Redakteurin des EFO-Magazins.

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