Heutzutage soll man alles an sich optimieren. Auch die Spiritualität.
Goethes Faust wollte wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Das faustische Streben nach immer Mehr ist in unserer Gesellschaft verankert: Sie ist stark von dem Bewusstsein geprägt, dass jeder einzelne Mensch die Aufgabe hat, die eigenen Potenziale zu verwirklichen. Körperlich, geistig, seelisch und ökonomisch.
Dieser Verbesserungsdruck macht auch vor der Spiritualität nicht Halt. Gerade dazu gibt es immer mehr Angebote außerhalb der verfassten Kirchen. „Religion und Spiritualität sind Optionen geworden: Das bietet einerseits größeren Freiraum, stellt andererseits aber auch eine große Herausforderung dar“, sagte der Theologe Jochen Sautermeister in einer Gesprächsrunde zum Thema „Spirituelle Selbstoptimierung“ im Haus am Dom.
An sich zu arbeiten, ist primär ja nichts Schlechtes. Es gehört zum Menschen dazu, sich selbst verbessern zu wollen. Auch im Christentum gibt es die Hoffnung auf ein gelingendes Leben, das Streben danach, Gott im Hier und Jetzt so gut wie möglich zu verstehen, Freiheit und Liebe zu erfahren. Die Frage ist nur: Welche Art der Selbstverbesserung ist sinnvoll, was kann dagegen schädlich sein?
„Spirituelle Selbstoptimierung muss Maß halten“, sagt Brita Dahlberg, die Geschäftsführerin des Frankfurter Rings, der seit den 1970er Jahren Veranstaltungen mit Psychologen, energetischen Heilerinnen und Schamanen anbietet. Gleichzeitig glaubt sie nicht an die alleinige Autorität von Pfarrern und Pfarrerinnen sondern an „das Göttliche in einem selbst“, das es auf anderen, „esoterischen“ Wegen zu entdecken gelte. Einige ihrer spirituellen Erfahrungen im Bereich der Esoterik hätten ihr „tiefen inneren Frieden“ gebracht.
Spirituelle Erfahrungen sind nicht nur im christlichen Rahmen möglich, es wäre vermessen, sie anderen Religionen oder spirituellen Praktiken absprechen zu wollen. Es gibt aber eine Grenze. „Man kann sich nicht selbst an die Stelle Gottes stellen“, wie der Jochen Sautermeister betonte: Eine spirituelle Erfahrung kann man nicht „machen“, nicht alleine herstellen, man muss dazu etwas empfangen.
Sautermeister warnte außerdem vor geistlichem Missbrauch, vor Übergriffen von „Lehrerfiguren“ in die Freiheit der Einzelnen. Kritische Distanz gegenüber Menschen oder Systemen, die das, „was die Welt im Innersten zusammenhält“, vermeintlich bruchlos erklären könnten, ist immer geboten.
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