Gemeinsames Abendmahl: Wo ist das Problem?
Das Thema Abendmahl ist die wohl größte Herausforderung auf dem Weg zur Ökumene zwischen der katholischen und evangelischen Kirche. Denn nach Auffassung der offiziellen katholischen Lehrmeinung ist eine wechselseitige Teilnahme an den jeweiligen Abendmahlsfeiern der anderen bislang nicht möglich. Warum, das wurde bei einem Fachtag im Haus am Dom deutlich.
Wie brisant das Thema ist, zeigt die Erinnerung an den ersten Ökumenischen Kirchentag in Berlin 2003. Im Anschluss daran waren zwei katholische Priester suspendiert worden; der eine, weil er an einem evangelischen Abendmahlgottesdienst teilgenommen hatte, der andere, weil er in einem katholischen Gottesdienst explizit alle Anwesenden zur Kommunion eingeladen hatte.
Es kann also durchaus als historischer Meilenstein angesehen werden, dass im September 2019 der Ökumenische Arbeitskreis aus Theologen und Theologinnen beider Konfessionen ein gemeinsames Votum für eine „wechselseitige Teilnahme an den Feiern von Abendmahl/Eucharistie in Achtung der je anderen liturgischen Traditionen“ abgegeben hat. Die Deutsche katholische Bischofskonferenz hat sich zu diesem Plädoyer allerdings noch nicht geäußert.
Was in der evangelischen Kirche weithin üblich ist – explizit alle Anwesenden unabhängig von ihrem konfessionellen Bekenntnis zum Abendmahl einzuladen – bleibt aus katholischer Perspektive problematisch. Zwar wird in der Regel einem Einzelnen die Eucharistie nicht verweigert. Eine explizite Einladung zur sogenannten Interkommunion wird jedoch als Verletzung der kirchlichen Lehre verstanden.
Wechselseitige Gastfreundschaft ergibt zudem nicht notwendig ein gemeinsames Abendmahl. Denn was katholische und evangelische Christinnen und Christen mit Brot (und Wein) jeweils empfangen, ist nicht dasselbe – eine Position, die Günther Kruck, Studienleiter der Akademie Rabanus Maurus im Haus am Dom, im Lauf des Fachtags immer wieder ins Spiel brachte. Denn die Auffassungen darüber, was Sakramente und kirchliche Ämter bedeuten, gehen weit auseinander.
Immerhin besteht Einigkeit in der Auffassung, dass nicht die Kirchen, sondern Jesus Gastgeber des Abendmahls ist. Auch die Vorstellung, dass Christus in Brot und Wein wirklich präsent ist, teilen alle Konfessionen.
Auf welche Weise der Leib Christi in Wein und Brot zugegen ist, bleibt jedoch offenkundig ein Thema mit wenig Spielraum für Annäherung. Der Bruch mit der so genannten „Transsubstantationslehre“ , der zufolge im Gottesdienst Brot und Wein tatsächlich gewandelt werden, war ein zentraler Bestandteil der Reformation. Martin Luther sah die Wandlung und damit die Präsenz Christi im Abendmahl in den Glauben der Einzelnen gestellt. Grundlegend damit verbunden ist das Amtsverständnis: Nach katholischer Auffassung sind Geistliche geweiht, und nur Geweihte können die Wandlung vollziehen.
Kann es trotz unterschiedlicher theologischer Auffassungen über Sakramente und Amt Gemeinsamkeit geben, oder bleiben Tisch und Feier wie Leib und Bedeutung zweigeteilt?
Ansgar Wucherpfennig, Leiter der Katholischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt-Oberrad, betonte, dass das Neue Testament eine ökumenische Verständigung im Hinblick auf die Eucharistie zulasse: Jesus habe nicht eine einheitliche Feier gewollt. Die Texte des Neuen Testaments erzählen vielmehr von einer Vielfalt der Formen des gemeinsamen Mahls – von dem niemand ausgeschlossen wurde – und bieten einen offenen Verstehenshorizont. Eine bestimmte Liturgie, eine einheitliche Form der Eucharistiefeier lasse sich aus den Einsetzungsworten, die Jesus den Evangelien zufolge beim letzten Abendmahl mit seinen Jüngerinnen und Jüngern gesprochen hat, nicht ableiten. Verschiedene Formen der Liturgie seien daher kein Hindernis für gemeinsame Mahlfeiern, bestätigte auch Martin Lüstraeten, Theologe von der Universität Münster.
Dass Differenzen nicht zu Uneinigkeit und wechselseitigem Ausschluss führen müssen, zeigt – darauf wurde an diesem Thementag mehrfach hingewiesen – die 1973 erzielte Einigung der reformierten Kirchen in der Leuenberger Konkordie, welche unter Berücksichtigung voneinander abweichenden Traditionen die Grundlage dafür bildet, dass lutherische, reformierte und unierte Kirchen „einander Gemeinschaft an Wort und Sakrament“ gewähren, also auch die Möglichkeit des gemeinsamen Abendmahls einräumen.
Die Experten für Exegese, Dogmatik und Liturgiewissenschaft ließen bei dem Thementag in der Katholischen Akademie keinen Zweifel daran, dass die Suche nach einer Basis für eine ökumenische Feier von Eucharistie und Abendmahl weitergeführt werden sollte. Über die Frage, ob das Problem zuerst theologisch vonseiten der Amtskirche gelöst werden muss, oder ob unabhängig davon eine gemeinsame Praxis übend entwickelt werden kann – diesbezüglich war man sich auf dem Podium uneins. Im Publikumsgespräch wurde deutlich, dass der Wunsch nach Gemeinschaft nicht weniger stark ist, als die theologischen Bedenken es sind.
Mehr zum Thema lesen:
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Interview mit dem evangelischen Stadtdekan von Frankfurt und Offenbach, Achim Knecht, zum Abendmahl
Gemeinsames Votum des Ökumenischen Arbeitskreises zum Abendmahl
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