Karfreitag: Ein Gedenktag braucht Sinn
Der Karfreitag, an dem Jesu Kreuzigung gedacht wird, ist einer der höchsten christlichen Feiertage – aber kaum jemand begeht ihn noch. Der Gottesdienstbesuch ist an diesem Tag kaum höher als an einem x-beliebigen Sonntag – 977 000 Teilnehmende hat die Evangelische Kirche in Deutschland bei der letzten Erhebung 2013 gezählt, das sind grade mal vier Prozent der Evangelischen. Selbst an Erntedank gehen doppelt so viele in die Kirche, ganz zu schweigen von Heiligabend, wo achteinhalb Millionen Menschen einen evangelischen Gottesdienst besuchen.
In der allgemeinen Wahrnehmnung ist der Karfreitag längst zum bloßen Auftakt für „die Osterfeiertage“ geworden, jenes lange Wochenende, das verlässlich von Freitag bis Montag dauert, weil Ostern immer auf einen Sonntag fällt. Damit sind diese Tage eine gute Gelegenheit für private Geselligkeit, für Kurzurlaube, für größere Feiern, zu denen viele Leute anreisen sollen. Und wenn auch manche vielleicht zögern, die ganz große Party direkt an Karfreitag zu schmeißen, so spricht doch bestimmt nichts gegen den „Ostersamstag“! Dass es eigentlich „Karsamstag“ heißt, weil das Feiern und die Freude erst mit Jesu Auferstehung, also am Ostersonntag beginnen soll – diese Überlegung spielt faktisch nur noch für wenige eine Rolle.
Die deutsche Gesetzgebung schützt den Karfreitag zwar noch als „stillen Feiertag“, doch vielleicht ist das nur eine Frage der Zeit. Immer mehr Menschen ziehen den Sinn solcher Regelungen ja in Zweifel, wie die Debatten über das Tanzverbot gezeigt haben. Doch ein Feiertag, den kaum noch jemand inhaltlich begeht, ist auf lange Sicht gefährdet: Wenn der Karfreitag in seiner eigenständigen Bedeutung dauerhaft keine gesellschaftliche Rolle mehr spielt, könnten „die Osterfeiertage“ bald kürzer sein.