Ein Bibelfest in der ganzen Stadt
Vier Bibelverse – die von Maria und Martha aus dem Lukasevangelium, von zwei allzu unterschiedlichen Schwestern – hat Pfarrerin Henrike Frey-Anthes am Sonntagmorgen in der evangelischen Alten Nikolaikirche auf dem Römerberg erzählt.
Drei Tage lang trafen sich am vergangenen Wochenende in Frankfurt Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz beim ersten Ökumenischen Bibelerzähl-Kongress. Zum Abschluss wurde am Sonntag in 19 evangelischen und katholischen Kirchen Frankfurts gezeigt, was Bibelerzählen im Gottesdienst bedeutet.
Einige Teilnehmerinnen des Kongresses hatten sich für den Gottesdienst auf dem Römerberg entschieden. Aber auch Neugierige kamen – statt Predigt eine Erzählung? Aus vier Versen wird das Entscheidende eines Gottesdienstes? Eine ältere Dame, roter Wollmantel, setzte sich in die erste Reihe. „Ich habe es in der Zeitung gelesen und bin begeistert“, sagte sie am Ende, sie wünscht sich mehr solcher Angebote in Frankfurter Gemeinden. Eine Deutsch-Amerikanerin kam im Nachhinein auf Frey-Anthes zu, ihr hatte es gleichfalls gefallen.
Mit sparsamen Gesten ließ die 49 Jahre alte Pfarrerin aus Schwäbisch Hall die Geschichte von den beiden Schwestern in der Alten Nikolaikirche lebendig werden: Maria, die Entspannte, die in aller Ruhe Jesus lauscht, die immer nur eins macht und nicht alles auf einmal, Martha, die unermüdlich in Haus und Hof werkelt, ihren Listen hinterher schuftet und dabei das Wichtigste verpasst.
Pfarrerin Frey-Anthes hat sich vor zwölf Jahren in Sachen Bibelerzählen schulen lassen. Sie schlüpft in keine Rolle, aber sie beschreibt: die in Thymian eingelegten Oliven, den Teig, das Fleisch, die für den Gast zubereitet werden, Marias Gelassenheit. Aus dem Bildhaften tritt, ohne dass draufgetippt werden müsste, hervor, worauf es ankommt: Zuhören, zur Ruhe kommen, im Inneren Platz schaffen für den Gast Jesus.
In Bockenheim war an dem Vormittag die Bibelerzählerin Veronika Bürker zu Besuch. „Ums Verlieren und ums Suchen und ums Finden“ ging es in der Sankt Jakobskirche, umschrieb Pfarrerin Charlotte Eisenberg das Thema des Familiengottesdienstes. Amüsant und abwechslungsreich wurde hier das Gleichnis von der verlorenen Drachme nach Lukas 15 erzählt.
Ein paar Meter weiter, in der katholischen Frauenfriedenskirche, war Jochem Westhof zu Gast, eine Leitfigur in Sachen Bibelerzählen und bei dem Kongress federführend dabei. In der katholischen Kirche handelte es sich, ähnlich wie in der Alten Nikolaikirche, um einen Gottesdienst, der sich an Erwachsene richtete.
Das Zentrum Verkündigung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat zu dem Kongress in Zusammenarbeit mit dem katholischen Bistum Limburg und zahlreichen weiteren Erzählvereinen und Landeskirchen eingeladen und die Gottesdienste organisiert. „Der Kongress war für die Teilnehmenden und die Veranstalter*innen ein voller Erfolg. Das Erarbeiten und Erzählen von biblischen Geschichten verbindet Menschen unterschiedlicher Altersgruppen, Konfessionen und Lebenshintergründe ganz selbstverständlich. Gemeinsam sind wir tief in die Kraft des Evangeliums fürs Leben eingetaucht. Ein großes Bibelfest in der ganzen Stadt!“, resümiert Pfarrerin Natalie Ende, Referentin für Gottesdienste mit Kindern im Zentrum Verkündigung in Frankfurt.