Die Koreanisch-Evangelische Gemeinde feiert ihr 50jähriges Bestehen
Sonntagmorgen um 10 Uhr klingt Gesang aus den Fenstern des Gemeinde- und Gottesdiensthauses Sondershausenstraße 51a im Gallus. Der Chor stimmt sich ein für den Gottesdienst mit Pfarrer Minyoung Kang, der in einer halben Stunde beginnt. In der Teeküche herrscht schon lebhaftes Treiben, denn zwei Familien bereiten das Essen vor für das übliche gemeinsame Mahl nach dem Gottesdienst. Muschelsuppe soll es geben und das traditionelle Kimchi, die Leib-und Magenspeise in Korea.
Mit hundert Personen rechnet die Küchencrew, Kinder eingerechnet. In der Kirche, einem großen hellen und hohen Raum mit zwei Blumengestecken auf dem Altar und einem schlichten Kreuz an der Stirnwand, füllen sich die Stuhlreihen. Eine Combo mit Schlagzeug, E-Gitarre und Keyboard gibt den Rhythmus vor für die Lobpreis-Lieder, die zwei Sänger vortragen. Eine Viertelstunde lang stimmen sie die Gemeinde ein auf den Gottesdienst, singen und klatschen Spirituals oder ruhigere, traditionelle und klassische Lieder.
Kinder laufen herum, Gemeindemitglieder begrüßen sich herzlich, und wer will kann sich ein kabelloses Headset holen für die anschließende Simultanübersetzung von Liturgie und Predigt. Dass das immer klappt, dafür sorgt das ehrenamtliche Übersetzer-Team der Gemeinde. Schräg neben dem Altar ist eine große Videoleinwand angebracht, auf der der Jubiläumsgottesdienst am 21. September angekündigt wird. Dort werden später in koreanischer und in deutscher Sprache Bibeltexte, Liedertitel, Gebete und das Glaubensbekenntnis eingeblendet. Pfarrer Kang hält seine Predigt in Koreanisch, auch die Lieder, die inbrünstig vom zehnköpfigen Chor gesungen werden, stammen aus dem koreanischen evangelischen Gesangsbuch. Das Vaterunser wird gesungen, wie überhaupt die Gemeinde sehr sangeslustig ist und die Kirchenlieder alle mitsingt. Ansonsten ist die Liturgie nicht sehr viel anders als in anderen evangelischen Gemeinden.
„Der sonntägliche Gottesdienst ist der Dreh-und Angelpunkt unserer Gemeinde“, sagt Jun-Suk Kang vom Kirchenvorstand. Denn die Gemeinde ist keine Ortsgemeinde, in der die Menschen in fußläufiger Nähe lebten, erklärt der 44-Jährige. Der Einzugsbereich allein am Standort Frankfurt erstrecke sich von Eschborn bis Hanau und bis in den Taunus und die Wetterau hinein. Nur am Sonntag sehen sich alle, dann werde die Gemeinschaft gelebt und es sei über den reinen Gottesdienst hinaus viel Zeit für das gemeinsame Essen, Gespräche, Gruppen oder Ausschusstreffen.
Zum Gottesdienst gehören die Kinder selbstverständlich dazu, die vor der Predigt fröhlich herumspringen, aber dann ihre eigene Zeit haben, ihre „Kinderkirche“, getrennt in drei Altersstufen. Beim Essen sitzen sie dann wieder mit an den Tischen, die nach dem Gottesdienst ruckzuck zusammengeschoben werden, und essen die Suppe gereicht mit Reis und Kimchi. Ohne den stark gewürzten und eingelegten Chinakohl geht nichts in der koreanischen Küche.
Pfarrer Minyoung Kang (44) ist sonntags ein Reisender zwischen Frankfurt, Worms und Mainz. Denn die etwa 180 Mitglieder der Koreanisch-Evangelischen Kirchengemeinde verteilen sich auf diese drei Standorte. Kang predigt um 10.30 Predigt in Frankfurt, um 13.30 Uhr in Worms und um 16.30 Uhr in Mainz-Kastel. Frankfurt ist mit etwa 120 Mitgliedern der stärkste Standort. Pfarrer Kang führt das auf die vielen koreanischen Unternehmen und den damit verbundenen Zuzug zurückführt. „Wir haben wenig Kirchenaustritte, aber ein starkes Interesse von Koreanern, die neu in der Stadt sind“ sagt er. Die Gesamtgemeinde setze sich aus einem hohen Anteil von Koreanern und Koreanerinnen der ersten Generation zusammen, aber es kommen auch Jüngere, die in Deutschland geboren sind und sich beiden Heimatländern verbunden fühlen.
Pfarrer Kang selbst ist in Korea geboren und kam 2016 mit in Korea erworbenen Deutschkenntnissen nach Frankfurt. Er war zuerst Assistenzpfarrer der Gemeinde und wurde vor einem Jahr zum Gemeindepfarrer gewählt. Mit Frau und zwei Kindern lebt er in Frankfurt. Seelsorge, Bibelarbeit in etwa zehn Hauskreisen, Frühgebete, Musik, Bildungs- und Freizeitangebote für alle Altersgruppen und ein starkes ökumenisches Engagement sind Schwerpunkte der Gemeinde. Es bestehen über die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau partnerschaftliche Kontakte zu der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea.
Gemeindemitglied Anja Park ist eine herzliche zupackende Frau, die gerne lacht und an diesem Sonntag mit zum Vorbereitungsteam für das Sonntagsmahl nach dem Gottesdienst gehört. Ihr Ehemann ist aus Südkorea gebürtig, sie selbst ist Deutsche und beide sind sie Mitglied in der Gemeinde seit mehreren Jahren. „Wir sind sehr herzlich aufgenommen worden“, erinnert sie sich und mag die offene, freundliche Art. Dass die Gemeinde „deutscher“ ist als andere koreanische Gemeinden ist, findet sie gut, weil in der jüngeren Generation und in bi-nationalen Familien wie die ihre nicht mehr alle Koreanisch als erste Muttersprache lernen. Andererseits sei das Bedürfnis groß, die koreanische Kultur zu leben. „Das wollen wir unseren Söhnen ermöglichen“, sagt sie und freut sich, dass der Kindergottesdienst eine große Rolle spielt und an jedem Sonntag stattfindet.
Die Gründungsmitglieder nehmen noch Anteil am Gemeindeleben und sind hoch angesehen, wie etwa Boo Whan Oh (81), der 1969 als Krankenpfleger nach Deutschland kam. Wie viele andere hatte er zuerst nur einen Arbeitsvertrag für drei Jahre in der Tasche, wurde unentbehrlich an seiner Arbeitsstelle im Markuskrankenhaus und der Diakonie, blieb dann länger und am Ende für immer.
Auch die Krankenschwester Joowon Kim (67) ist geblieben und „schaukelt“ nur noch ab und zu besuchsweise nach Südkorea. Die Kinder und Enkelkinder dieser Gründergeneration sind in Deutschland aufgewachsen, kennen die Kirchengemeinde und wollen Verantwortung übernehmen. Das sorgt für Konfliktstoff, wie Kirchenvorstand Dr. Kang, selber in Deutschland geboren und aufgewachsen, weiß. In der koreanischen Kultur werde das Senioriätsprinzip hochgehalten, die Bewahrung der Tradition sei wichtig. Doch die jüngeren Gemeindemitglieder würden manches anders sehen und stellten etwa in Frage, ob das gemeinsame Essen bei Festen, besonderen Gottesdiensten oder dem Hauskreis immer so aufwendig sein müsse. Und sie forderten ein, dass Jüngere respektiert werden, wenn sie Verantwortung für die Gemeinschaft übernehmen.
Den Dialog zu führen, werde deswegen immer wichtiger. „Wir können nicht nur zurückschauen, sondern müssen über die Zukunft der koreanischen evangelischen Gemeinden sprechen“, sagt er. In Planung sei deswegen ein Symposium im Frühjahr 2020, bei dem sich die koreanischen evangelischen Kirchengemeinden in Deutschland austauschen und eine Perspektive entwickeln wollen.
Der Dankgottesdienst zum 50jährigen Jubiläum der Koreanischen Evangelischen Kirchengemeinde Rhein-Main findet am Samstag, 21. September um 15 Uhr in der Frankfurter Kirche der Gemeinde, Sondershausenstraße 51a im Gallus, statt. Die Predigt hält Kirchenpräsident Volker Jung.
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