Der Sonntags-Gottesdienst ist aus der Zeit gefallen
Früher war der Sonntagsgottesdienst ein Ort, an dem man sich begegnet, Neuigkeiten austauscht, Geschäfte abschließt, Ehen anbahnt: die soziale Mitte eines Stadtteils oder Dorfes. Heute ist das vielleicht noch in manchen Freikirchen so, aber generell hat der Gottesdienst diese Funktion seit den 1960er Jahren verloren. In der evangelischen Kirche kann man sich auf viele Arten und in vielen Bereichen engagieren. Die meisten Menschen planen ihr Wochenende anders, kirchliche Angebote konkurrieren mit zahlreichen kulturellen Events.
Auch aus anderen Gründen ist der Gottesdienst in seiner jetzigen Form, an jedem Sonntag in jeder Kirche, ein Auslaufmodell. Schon bald wird es nicht nur finanziell deutlich schlechter aussehen, sondern auch viel weniger Personal geben, vom Pfarramt über die Kirchenmusik bis zum Küsterdienst. Die Frage ist, ob die Kirche wartet, bis die Umstände sie zu einer Veränderung zwingen – oder ob sie den Wandel aktiv gestaltet.
Auch heute sind Kirchen oft gut gefüllt, sei es an Weihnachten oder zur Konfirmation, oder auch bei großen Tauf- oder besonderen Familiengottesdiensten, bei Gottesdiensten mit musikalischem Schwerpunkt oder solchen von besonderer lokaler Bedeutung. Es wäre sinnvoll, solche Gottesdienste aufwändiger zu gestalten und regional abzustimmen. Andersherum spricht nichts dagegen, weiterhin alle Kirchen am Sonntagmorgen geöffnet zu halten, nur eben mit „kleinen Formen“, die nicht auf hauptamtliches Personal angewiesen sind. Die Menschen, die sich dort miteinander versammeln, würden „ihren“ Gottes-Dienst selbst tragen.
Es gibt keinen Grund, den liturgischen Gottesdienst sonntags um 10 Uhr als Muster zu begreifen. Wenn man auf die Geschichte des Christentums blickt, ist diese Form jung. Und schon Martin Luther sagte, dass die Dienstmagd, die „im Glauben an Christus“ das Haus kehrt, einen „größeren Gottesdienst“ verrichtet als so mancher Heiliger. Der Sonntagsgottesdienst ist nur ein kleiner Ausschnitt – Gottes-Dienst kann, muss und wird viele Formen haben.
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