Gott & Glauben

Kann ich Christ oder Christin sein, auch wenn ich nicht an die Auferstehung glaube?

Nur jeder zweite Christ, jede zweite Christin glaubt heute an die Auferstehung. Dabei ist der Osterglaube historisch gesehen ein Erfolgskonzept: An die Auferstehung zu glauben „funktioniert“.

Wilfried Steller ist Pfarrer im Ruhestand und theologischer Kolumnist für das EFO-Magazin. Foto: Tamara Jung
Wilfried Steller ist Pfarrer im Ruhestand und theologischer Kolumnist für das EFO-Magazin. Foto: Tamara Jung

Dass Jesus von den Toten auferstanden ist, übersteigt zwar nicht die Fantasie, aber doch den Verstand. Deshalb hat es der Osterglaube schwer: Nur jeder zweite Christ, jede zweite Christin glaubt heute an die Auferstehung.

Allerdings: Was der Verstand nicht analysieren kann, ist deswegen noch lange nicht irreal. Tatsache ist, dass sich die Ostererzählung herumgesprochen hat und viele Menschen begeisterte. Warum? Da kamen mehrere Faktoren zusammen.

Dass Gott die ungeliebten realen Herrschaftsverhältnisse auf den Kopf stellen kann, gab vielen Menschen Hoffnung: Wenn sogar der Tod den Kürzeren zieht, dann zeigt sich darin ein neuer Durchbruch. Zudem gab es Zeuginnen und Zeugen. Thomas etwa, einer aus dem engsten Kreis um Jesus, durfte seine Hände in die Wunden des mutmaßlich Auferstandenen legen. Und schließlich katapultierte die Auferstehung den jüdischen Wanderprediger Jesus in eine universale und überzeitliche Bedeutung.

In einer Welt fehlender Optionen für die „kleinen Leute” wurde Jesu Botschaft von einer Verwandlung der Welt zu einem Überflieger. Sie gab vielen Menschen Selbstbewusstsein, Hoffnung, Mut, und verlieh ihnen eine neue Identität und Lebensperspektive. Im Lauf der Jahrhunderte erwies sie sich zudem immer wieder als tragender Grund im Überlebenskampf, wie es zum Beispiel die afroamerikanischen Spirituals bezeugen.

Der Osterglaube ging viral, weil er Sinn in eine sehr raue Welt brachte. Historisch gesehen ist er unbestreitbar ein Erfolgskonzept: An die Auferstehung zu glauben „funktioniert“. Wie sinnvoll ist es, ein bewährtes Konzept zur Lebensbewältigung abzulehnen, nur weil man nicht alles, was dahintersteht, beweisen kann?

Das Christsein hängt allerdings nicht davon ab, ob man mit allen Glaubenswahrheiten übereinstimmt. Worauf es ankommt, das ist eine lebendige Beziehung zu Jesus Christus, zu seinem Wirken und Reden. Fragen und Hürden sind dabei okay. Man sollte nur bestrebt sein, sich auch unzugängliches Terrain zu erschließen.


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Wilfried Steller 51 Artikel

Wilfried Steller ist Theologischer Redakteur von "Evangelisches Frankfurt und Offenbach" und Pfarrer in Frankfurt-Fechenheim.

1 Kommentar

19. Dezember 2020 16:42 Andy Bertram

Ein sehr schöner Artikel! Auch ich habe meine persönliche Theorie, die für mich viel greifbarer ist und womöglich auch für viele andere. Für alles andere greife ich gern diesen Satz auf: >Worauf es ankommt, das ist eine lebendige Beziehung zu Jesus Christus, zu seinem Wirken und Reden. Fragen und Hürden sind dabei okay.< Sehr treffend.

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