Gott & Glauben

Braucht Glauben Humor?

von

Es gibt viele Gründe, warum Lachen wichtig ist. Nicht nur in der Faschingszeit. Wir fragten Menschen aus verschiedenen Religionsgemeinschaften: Braucht Glauben Humor?

Statements von Julian-Chaim Soussan, Gisela Matthiae, Mohammad Dawood Majoka und Hanna-Lena Neuser. | Montage: Felix Volpp
Statements von Julian-Chaim Soussan, Gisela Matthiae, Mohammad Dawood Majoka und Hanna-Lena Neuser. | Montage: Felix Volpp

Julian-Chaim Soussan (53), Rabbiner in der Jüdischen Gemeinde Frankfurt

Gott hat ja selbst Humor. Er macht sich ein wenig über die Hybris des Menschen lustig – zum Beispiel beim Turmbau zu Babel. Oder Sara lacht zweifelnd, als sie erfährt, dass sie mit 90 noch ein Kind bekommen soll. Aber dann schenkt Gott ihr das Kind. Und sie nennt es Isaak – „Er wird lachen“! In jeder Zeit der Unterdrückung, die Juden erlebt haben, haben sie Witze gemacht. Solange wir lachen, leben wir! Und beherrschen die Situation, indem wir sie umdrehen. Das ist auch eine Art Selbstvergewisserung. Schon immer haben Rabbis Witze erzählt, um die Aufmerksamkeit ihrer Zuhörerschaft zu bekommen. Humor kann auch therapeutisch wirken. Ich erinnere mich an eine Beerdigung. Junge Männer hatten ihren Vater verloren. Irgendwann saßen wir im Kreis und haben uns Witze erzählt. Die Ehefrau hat mir später gesagt, es sei das Schönste für sie gewesen, ihre Söhne nach der Zeit des Leidens wieder lachen zu sehen.


Gisela Matthiae (62), Theologin und Clownin

Mit Sinn für Humor bin ich nicht nur ein heiterer, gelassener Mensch. Ich nehme auch das Leben ernst und vor allem die vielen unangenehmen Situationen, die Pannen, groben Fehler und Missgeschicke. Ich nehme sie ernst, aber nicht zu ernst. Ich rechne damit, dass sich mit ein bisschen Abstand und einer anderen Perspektive in jeder Misere noch Hoffnungsvolles finden lässt. Ein kreativer Einfall und am Ende lachen alle über sich, nicht über die anderen (denn das wäre Spott, nicht Humor). Klingt das nicht nach einem fröhlichen Glauben? Einem Vertrauen in glückliche Wendungen noch in jeder schwierigen Situation! Es gab immer Glaubenswahrheiten und Autoritäten, die als unumstößlich galten. Bis sie dann eben doch umgestoßen wurden. Der Sinn für Humor relativiert. Er macht Menschen offen für andere und für Dialog, hält neugierig und bereit zum Staunen. So bewahrt er den Glauben vor Fanatismus.


Mohammad Dawood Majoka (49), Pressesprecher Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland

Humor ist ein Teil des Lebens. Nur muss der Humor bei uns ethischen Normen gerecht werden. Der Islam hat eine lebendige Humor-Tradition. Es gibt Ereignisse aus dem Leben des Propheten Mohammad, die zeigen, wie er bei Witzen und Sticheleien gelacht und sie genossen hat. Es gibt berühmte Charaktere, die speziell für Witze erfunden wurden. „Syed Joha“ bei den Arabern und „Mullah Nassaruddin“ bei den Türken. Lautes Lachen ist allerdings in der Moschee nicht gern gesehen. Das könnte einen betenden Menschen stören – oder gar Trauernde verletzen. Es gibt viele Witze über Mullahs oder Essensvorschriften, doch wir haben Regeln für „religionskonformen“ Humor. So darf man keine Lügen erzählen. Man sollte keinen Menschen oder Nationen beleidigen, wie es etwa mit den Ostfriesen geschieht. Ebenso sollten die Witze nicht unanständig sein. Ist innerhalb dieser Grenzen überhaupt Humor möglich? Ich versichere Ihnen: Ja!


Hanna-Lena Neuser (41), Kommissarische Direktorin der Evangelischen Akademie Frankfurt

Ja, davon bin ich fest überzeugt, auch um die aktuelle Situation zu bewältigen. Wir sind mit der andauernden Pandemie in einer zeitlichen Epoche, in der nicht alles lustig ist. An dieser Stelle ist protestantisches Lachen gefordert, welches aber die schwierige Situation mitnichten verharmlosen möchte. Humor ist vielleicht eher mit Psychohygiene gleichzusetzen. Humor ist für mich aber auch Hoffnung. Und wenn wir hoffnungsvolle Debatten um unsere Zukunft führen wollen, braucht es den kleinen Schmunzler zwischendurch und das kollektive Lachen sowieso. Wichtig ist an dieser Stelle, dass damit nicht verletzende Ironie gemeint ist. Ganz im Gegenteil geht es um einen respektvollen und wahrhaften Humor. Und es braucht die Gelassenheit, um den Witz verstehen zu können. Humor hat nichts mit Schmähkritik zu tun. Es geht nicht darum, über andere zu lachen. Es geht darum, mit anderen zu lachen.


Schlagwörter

Autorin