Gott & Glauben

„Auch in der evangelischen Kirche ist Führung noch männerdominiert“

In der katholischen Kirche protestieren Frauen unter dem Motto „Maria 2.0“ gegen hierarchische und männerdominierte Strukturen. Aber wie steht es eigentlich in der evangelischen Kirche um die Geschlechterverhältnisse? Fragen an die neue Frankfurter Frauenpfarrerin Gotlind Ulshöfer.

Die Theologin und Volkswirtin Gotlind Ulshöfer ist seit Oktober Frauenpfarrerin und stellvertretende Leiterin im Evangelischen Frauenbegegnungszentrum "EVA" in der Frankfurter City. | Foto: Rolf Oeser
Die Theologin und Volkswirtin Gotlind Ulshöfer ist seit Oktober Frauenpfarrerin und stellvertretende Leiterin im Evangelischen Frauenbegegnungszentrum "EVA" in der Frankfurter City. | Foto: Rolf Oeser

Frau Ulshöfer, wie ist denn die Lage von Frauen in der evangelischen Kirche? Ist es hier besser als in der katholischen?

Wenn man auf die formale Situation blickt, schon. Seit 1970 sind Frauen im Pfarramt gleichberechtigt, und von denen, die heute Theologie studieren, sind über 60 Prozent Frauen. Wenn wir aber genauer hinschauen, zeigt sich, dass es in Führungspositionen noch lange nicht paritätisch ist. Da sind auch in der evangelischen Kirche immer noch mehr Männer. Insofern hat sich schon viel getan, aber der Weg ist noch weit.

Woran liegt das?

Ich denke, dass die Kirche da auch die Gesellschaft insgesamt widerspiegelt. Im neuen Bundestag sind auch wieder nur ein Drittel der Abgeordneten Frauen. Es geht in Bezug auf die Gleichberechtigung nicht in allen gesellschaftlichen Bereichen vorwärts, gerade im Blick auf Führungspositionen und auch beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder auch Care-Arbeit gibt es immer wieder Rückschritte. Deshalb brauchen wir immer noch eine aktive Gleichstellungspolitik und eben auch solche Einrichtungen wie das EVA, das Evangelische Frauenbegegnungszentrum.

Sie sind Frauenpfarrerin, wie unterscheidet sich das von einem normalen Pfarramt?

Es geht dabei um einen spezifischen Blickwinkel. Es gibt ja viele Spezialpfarrämter, ein Männerpfarramt zum Beispiel auch. Hier im EVA geht es darum, feministisch auf die Verhältnisse zu schauen, also zum Beispiel zu fragen, was bestimmte Entwicklungen für Frauen bedeuten, und darum, bestimmte Anliegen innerhalb der Kirche zu vertreten, zum Beispiel der feministischen Theologie.

Was sagen Sie denn zu der neuen Basisbibel? Da wird der Gottesname der hebräischen Bibel wieder einmal durchgängig mit „Herr“ übersetzt, obwohl das männliche Gottesbild ja schon lange ein wichtiger Kritikpunkt der feministischen Theologie ist. Wie erklären Sie sich das?

Ich fand das auch sehr irritierend. Ich glaube, es ist einfach noch immer kein allgemeines Sensorium für diese Themen da – und das ist bedauerlich, denn die Basisbibel ist mit ihrem Anspruch, eine zeitgenössische Bibelübersetzung zu sein, ein wichtiges Projekt

Welche Rolle spielt das Evangelische Frauenbegegnungszentrum in der Stadt Frankfurt?

Erst einmal hat schon der Ort hier, mitten in Frankfurt gelegen, ein großes Potenzial. Im EVA können Frauen sich treffen und begegnen, dabei haben wir auch viele Kooperationen mit anderen Akteur*innen in der Stadt, zum Beispiel mit dem Frauenreferat der Stadt, aber auch anderen. In der Alten Nikolaikirche am Römerberg gibt es regelmäßige Frauengottesdienste, und wir bieten mit unseren Veranstaltungen eine Plattform dafür, dass der Themenbereich Frauen und Religion, feministische Spiritualität und Theologie und Geschlechtergerechtigkeit in der Stadt vorkommt.

Ist denn die Zielgruppe Frauen heute noch aktuell? Heute spricht man ja eher von einer Vielfalt von Geschlechtern.

Wir sind ausdrücklich offen für alle Menschen, die sich als Frauen verstehen, wir geben da unsererseits keine Definition vor, und auch für nichtbinäre Menschen.

Welche Themen möchten Sie persönlich einbringen, was können wir da in den kommenden Monaten erwarten?

Ich möchte natürlich die Themen einbringen, an denen ich in den vergangenen Jahren gearbeitet und geforscht habe. Das erste ist eine dezidiert feministische Perspektive auf Digitalisierung – voraussichtlich biete ich dazu einen digitalen ethischen Salon an. Mein zweites Anliegen sind Wirtschaftsthemen. Da beschäftige ich mich zum Beispiel mit der Frage, was nachhaltiges Investment ist. Wenn heute von Nachhaltigkeit die Rede ist, sind meistens ökologische Aspekte im Blick, ich finde allerdings, dass da auch soziale Aspekte, gerade aus einer Gender-Perspektive, ebenfalls eine wichtige Rolle spielen müssen. Und das dritte Thema, das mir wichtig ist, ist die interreligiöse Arbeit. Da möchte ich verstärkt Begegnungsmöglichkeiten zwischen Frauen aus verschiedenen Religionen schaffen.

Zur Webseite des EVA

Gotlind Ulshöfer ist seit Oktober 2021 mit halber Stelle Frauenpfarrerin und stellvertretende Leiterin im Evangelischen Frauenbegegnungszentrum „EVA“ in der Frankfurter City. Sie hat außerdem eine Professur für Diakoniewissenschaft, diakonische Praxis und Ethik an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg inne. Zuvor war sie an der Universität Tübingen und Studienleiterin in der Evangelischen Akademie Frankfurt.


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Antje Schrupp 238 Artikel

Dr. Antje Schrupp ist Chefredakteurin des EFO-Magazins. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com Mastodon: @antjeschrupp@kirche.social

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