Als ob beim Rotkäppchen auch Dornröschen mitspielt
Letztes Jahr hat sich ein freundlicher Hobby-Schnitzer daran gemacht, unseren Krippenfiguren einen anständigen Stall zu bauen. Wir haben jetzt Platz für Ochs und Esel, die Heilige Familie samt Krippe. Draußen drängen sich Hirten, Schafe, die Heiligen Drei Könige und ihre Kamele.
Diese Vollversammlung um das Jesuskind ist ein wenig so, als ob beim Rotkäppchen auch noch das Dornröschen vorkommen würde: Verschiedene Geschichten werden zusammengerührt. Der Evangelist Lukas hat eine andere Story als sein Kollege Matthäus.
Zunächst Lukas: Die unverheiratete Maria erfährt von einem Engel, dass sie ein Kind, den Sohn Gottes vom Heiligen Geist empfangen wird. Zusammen mit Josef reist sie wegen einer Volkszählung (von der außer der Bibel niemand weiß) von ihrem Heimatort Nazareth nach Bethlehem, wo sie in einem Stall ihr Kind zur Welt bringt. Die richtige Action ereignet sich jedoch draußen bei den Hirten auf den nächtlichen Feldern. Engel verkünden ihnen, dass der ersehnte Heiland zur Welt gekommen ist.
Und jetzt Matthäus: Josefs Verlobte Maria wird schwanger und Josef misstrauisch. Er bleibt dennoch bei ihr, weil ihm ein Engel verrät, dass hier der Messias geboren werde. Eine Reise nach Bethlehem? – I wo! Das Paar wohnt ja dort. Kein Stall, keine Hirten. Dafür gibt es einige (nein, nicht drei!) weitgereiste orientalische Sterndeuter (nein, keine Könige!).
Die beiden Geschichten passen nicht zusammen. Gemeinsam haben sie nur, dass Jesu Mutter die junge Frau Maria ist, Verlobte des Josef aus dem Hause Davids, schwanger vor der Hochzeit. Jesus wurde in Bethlehem geboren zur Zeit des Königs Herodes.
Was nun? Streichen wir Weihnachten und gehen an diesem Tag einfach früh ins Bett? Oder wir nehmen wir die Botschaft der Evangelisten wahr. In ihren Kindheitsgeschichten stellen sie Jesus vor: Was für einer war der denn?
Lukas stellt Jesus als den vor, bei dem den Armen die Frohe Botschaft gesagt wird. Mit den Reichen machen die Engel sich keine Arbeit, den großen Auftritt geben sie vor ein paar zerlumpten Hirten. Bei Matthäus kommt den Heiden, den ausländischen Sterndeutern, die Ehre zu, das Jesuskind als Erste anzubeten. Suchende aus aller Welt machen also das Rennen, nicht die etablierten Kreise.
Wenn an den Krippen heute beide Gruppierungen zusammenkommen, dann ist das zwar nicht historisch. Aber dennoch schön und treffend.
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