Vinylgottesdienste: Bornheim legt auf
Die Kirchengemeinde Bornheim hat Frankfurter Lokalprominenz eingeladen: den DJ und Musiker Dan Bay sowie Matthias Westerweller, Musikjournalist und Radiomacher, als Moderator. Seitlich vor dem Altar ein Sofa, im Kirchenraum kleine Sitzgruppen mit Tischen, Stühlen und Sesseln. Getränke gibt es auch.
Pfarrer Lars Heinemann und Team – Isabel Philipp und Denise Mawila – haben die Vinylgottesdienste konzipiert. Ein Vorbild für diese Art von Veranstaltung gab es bislang nicht. Persönliches Engagement, vielseitige Inspiration und ein für ungewöhnliche Ideen offener Kirchenvorstand ließen das Vorhaben reifen.
Gesucht wurde ein Format, das zeitgenössische Musik und Religion miteinander verbindet. Anknüpfungspunkt sind die großen Themen des Lebens, wie sie in der Bergpredigt formuliert werden: „Selig sind, die da geistlich arm sind, denn ihrer ist das Himmelreich.“ Daraus ergeben sich die Motive für vier Abende: „selig. geist. arm. himmelreich.“
Nach einer kurzen Einführung von Pfarrer Heinemann folgen Musik und Wort im Wechsel. Nicht viele Worte und auch das Gespräch der DJs zum Thema selig ist eher wortkarg: Dan Bay legt auf. Organic House. Elektronische Weltmusik. Etwas Verbindendes, das wird sofort spürbar. Die Füße beginnen zu wippen, die Körper werden etwas körperlicher als sonst in der Kirche. Die Menschen sind wieder zusammen nach zwei Jahren Pandemie. Auch hier in der Kirche: zunehmend gelöste Atmosphäre.
Ist das ein Gottesdienst? Keine Liturgie, keine Predigt, keine Kirchenmusik. Die Kirche ist voller als sonst, das Publikum weitaus jünger. Unter der Musik das Stimmengewirr der über hundert Menschen, die im Gespräch miteinander sind. Paarweise aneinandergelehnt, in Gruppen sitzend oder stehend, mit einem Glas Wein in der Hand. Hinein und hinaus flottierend durch die offene Kirchentür. Die Sonne geht unter und die Engel über dem Altar strahlen. Manche heben ab und tanzen ein wenig. Wann hatten wir das zuletzt? So beiläufig. So unerwartet. So stimmig.
Ein Clubabend also? Braucht man dazu Kirche? Allenfalls umgekehrt. Die Kirche braucht dieses Vinyl-Experiment – vielleicht auch allerlei mehr –, um in Differenz zu geraten, um die eigene Fremde zu kreuzen. Und jetzt beginnt eben das Inventar zu pilgern. Die barocke Pracht des Hochaltars wirkt ein wenig wie ein Dekor. Was da zusammengeht, ist eine Frage. Muss ja auch nicht zusammengehen. Die Spannung macht den Groove.
Um neun Uhr ist Schluss mit dem Gottesdienst. Doch zuvor: den Segen bitte! Dann neben dem Ausgang der altbekannte Klingelbeutel für die Kollekte. Die Menschen strömen nach draußen in die junge Frühlingsnacht. Vinyl ist ein vergängliches Material, das auch Kratzer hörbar macht. Die Welt lässt sich wieder umarmen.
Der nächste Vinylgottesdienst „geist“ mit Pedo Knopp findet statt am Donnerstag, 23. Juni, um 19.30 Uhr in der Johanniskirche in Alt-Bornheim, Turmstraße 10.
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