Süd-Nord-Austausch: Ghanaer erlebt prägende Zeit in Frankfurt
„Wir wollen aufstehen, aufeinander zugehen, voneinander lernen, miteinander umzugehen“, singt Ebenezer Kelly Harunah die Zeilen von Sven Schumacher – etwas verhalten, aber doch sind die Töne klar und sauber. Von allen Liedern, die Harunah während seines Frankfurt-Aufenthalts gelernt hat, mag er dieses am liebsten. Wegen der Melodie; vor allem aber wegen des Textes. „Der Text beschreibt genau meinen Aufenthalt“, erklärt Harunah.
Wenige Tage vor seinem Rückflug zeigt er vor dem Partnerschaftsausschuss eine bilderreiche Präsentation über seinen Aufenthalt: Berichtet, was ihm an Deutschland besonders gut gefällt und inwiefern der Aufenthalt ihn persönlich geprägt hat. Fast vier Monate hat der 28-Jährige in Frankfurt verbracht. Unterstützt und betreut wurde er von der Dankeskirchengemeinde in Schwanheim. Diese ist Mitgliedsgemeinde der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS), die Träger des Austauschs ist. Für die Umsetzung sorgt das Ökumenische Freiwilligen Programm (ÖFP). Zusätzlich unterstützt wurde der Besuch durch die Partnerschaft zwischen der Evangelische Kirche in Hessen und Nassau und der Presbyterian Church of Ghana. Harunah ist Teil des Süd-Nord-Austauschs, bei dem Freiwillige aus dem globalen Süden einen Freiwilligendienst in einer EMS-Einrichtung im globalen Norden verrichten.
Der 28-Jährige arbeitete während seines Aufenthalts im Kinderhaus der Inneren Mission im Holzhausenviertel. Dort betreute er, zusammen mit drei ausgebildeten Erzieherinnen, die „Maulwurf-Gruppe“ mit 22 Kindern. Merkbar stolz berichtet er von seiner Arbeit und benutzt dabei den Ausdruck „Maulwurf-Gruppe“ auffällig häufig.
Auffällig vielleicht, weil Harunah sonst hauptsächlich Englisch spricht. Da er in Ghana keinen Zugang zu einem Deutsch-Kurs hatte, begann er erst zu Beginn seines Aufenthalts in Frankfurt Deutsch zu lernen. Das sei vor allem für die Arbeit im Kindergarten zunächst eine Hürde gewesen, berichtet die stellvertretende Leiterin des Kinderhauses Marjut Jaakkola: „Er war sehr zurückhaltend, da er sich kaum verständigen konnte.“ Mit der Zeit hat Harunah einen Zugang zu den Kindern gefunden – auch ohne viele Worte: Beim Betreten des Kindergarten-Geländes, sieht man ihn schon von weitem mit der „Maulwurf-Gruppe“ Fußball spielen. Ausgelassenes Lachen und Kreischen ist zu hören. Der 28-Jährige habe irgendwann gemerkt, dass es keine Sprache brauche, um mit Kindern zu kommunizieren: „Spiel ist eine internationale Sprache.“ Auch zum Basteln und Malen hätten seine Deutschgrundlagen ausgereicht. Die bunt geschmückten Räumlichkeiten der „Maulwurf-Gruppe“ verraten, dass kreative Aktivitäten hier zur Tagesordnung gehören. Und als ihn doch mal ein brünett gelocktes Mädchen anspricht, um den jungen Mann etwas zu fragen, reagiert der zwar zurückhaltend, gibt sich aber große Mühe, zu antworten – auf Deutsch.
Sein Sprachniveau so verbessert hat Harunah wohl durch sein Leben in den zwei Frankfurter Gastfamilien. Bei beiden Familien habe er sich herzlich aufgenommen gefühlt. So betont er während seiner Präsentation, dass ihm der Zusammenhalt in den deutschen Familien als besonders positiv aufgefallen sei. Unter anderem Harunahs Gasteltern sorgten für einen abwechslungsreichen Aufenthalt des jungen Mannes. Sie besuchten die bereits erwachsenen Kinder in Nürnberg und Bamberg und zeigten dem Ghanaer die bayrischen Städte.
Auch im Rahmen des Freiwilligenprogramms kam Harunah an unterschiedliche Orte in Deutschland. Während seines Aufenthalts nahm er an verschiedenen Seminaren und Netzwerk-Veranstaltungen teil. Dazu gehörten ein Orientierung-Seminar zu Beginn und ein Evaluation-Seminar gegen Ende des Aufenthalts. Von dem „Spiritual Festival“ auf dem Himmelsfels in Spangenberg sei er besonders begeistert gewesen. Auf der internationalen Veranstaltung hätten beispielsweise Freiwillige aus Asien oder Südamerika traditionsreich gezeigt, wie sie ihren Glauben leben, berichtet der Ghanaer.
In Deutschland sei ihm aufgefallen, dass die Gemeinde während der Gottesdienste weniger aktiv mit einbezogen werde. „In Ghana singen und tanzen wir, der Gottesdienst ist laut. In Deutschland ist es eher still.“ Aber auch das verzeichnet Harunah als eine positive Erfahrung: „Man kann zur Ruhe kommen“. Als besonderes Gottesdienst-Erlebnis hebt er den gemeinsamen Konfirmationsgottesdienst der evangelischen Kirchengemeinden Goldstein und Schwanheim hervor. Dort hätten die Konfirmand:innen das Lied „Laudato Si“ gesungen und ihre Namen in den Liedtext integriert. Die Gemeinde habe begeistert mitgeklatscht.
Während Harunah berichtet, sagt er häufig das Wort „grateful“ – dankbar. Er sei dankbar für die Zeit in den Familien, die Arbeit im Kindergarten, die vielen Erlebnisse und die gute Betreuung. Während seines Aufenthalts habe er viel gelernt und sich weiterentwickelt. Neben der Sprache habe er Schwimmen gelernt, sei allgemein fitter und offener geworden und habe zahlreiche Kontakte geknüpft. Über die vergangenen dreieinhalb Monate sei er durch die vielen Erlebnisse und den Kontakt zu den Kindern, Gemeindemitgliedern und anderen Freiwilligen extrovertierter geworden. Das findet auch seine Mentorin Voahanginirina Randriamboavonjy: „Kelly, am Anfang warst du so still, jetzt steht ein richtiger Redner vor mir. Ich bin stolz auf dich!“
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