Repair-Café: „Alles, was in eine Tasche passt, schauen wir uns an“
Im Repair-Café in Hausen reißt der Strom der Interessierten nicht ab: Radios, Mehrfachsteckdosen, Nachtischlampen, Toaster oder ein kleiner Aktenschredder – alles landet auf dem großen Tisch der fünf ehrenamtlichen „Reparateure“. Standardwerkzeuge, Lötkolben und Spannungsmessgerät sind vorhanden, ebenso kleine Ersatzteile wie Schalter oder Lüsterklemmen, aus Spendenmitteln finanziert. Spezial-Ersatzteile müssen mitgebracht werden. „Wenn wir hier vor Ort nicht weiter kommen, beraten wir die Leute, wo sie die Ersatzteile kaufen können“, erzählt Reparateur Walter Jahn, von Haus aus Elektroingenieur. „Dann bringen sie die Teile beim nächsten Mal mit, und wir bauen sie hier ein.“
Das Repair-Café ist Bestandteil der Initiative „Drin“, ein von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und der Diakonie Hessen gemeinsam getragenes Projekt. Es macht aus den Kirchengemeinden heraus niedrigschwellige Angebote gegen wachsende Armut und Ausgrenzung. Im Gemeindehaus in Alt-Hausen zum Beispiel sind das ein offenes Café, ein Lesetreff oder eine Nähwerkstatt, Ausflüge, gemeinsames Kochen oder Weihnachts-Backen sowie eben alle zwei Wochen das „Repair-Café“. Insgesamt 600 Besucherinnen und Besucher hat Asam Ghodstinat, Leiterin des „Drin“-Projekts in Hausen, im ersten Jahr bei den verschiedenen generations- und religionsübergreifenden Angeboten schon gezählt.
Haushaltsgroßgeräte werden beim Repair-Café nicht angenommen, Smartphones und Tablets sind wegen Spezialersatzteilen und Mikroelektronik oft schwer zu reparieren. Aber: „Alles, was in eine Tasche passt, schauen wir uns an“, erklärt Jahns Kollege Peter Hertlein. Der rüstige Mann im grauen Kittel ist gelernter Fein- und Elektromechaniker und 77 Jahre alt. „Ich freue mich mein Wissen hier nutzbringend weiter geben zu können, etwas Vernünftiges zu tun“, sagt er. In Konkurrenz zu Elektrofachhändlern sehen die ehrenamtlichen Reparateure sich nicht: „Im Gegenteil, die sind uns dankbar“, so Hertlein. „Weil wir hier zeit- und damit kostenintensive Kleinstarbeiten durchführen, die sich für den kommerziellen Betrieb gar nicht mehr lohnen.“
Die Reparateure erstellen eine Diagnose, erklären den Besucherinnen und Besuchern, ob eine Reparatur möglich oder sinnvoll ist, reparieren dann selbst oder leiten die dazu an, die defekten Geräte wieder herzustellen. Manche Besucherinnen und Besucher wollen nur die schnelle Reparatur, andere wollen selber basteln oder auch ein wenig fachsimpeln. Jeder Vorgang wird protokolliert, jeder Ratsuchende unterschreibt – auch aus versicherungsrechtlichen Gründen – eine Haftungsausschlusserklärung.
Die meisten Geräte sind bereits in die Jahre gekommen, doch die Erfolgserlebnisse geben beiden Seiten immer wieder Recht: „Das schönste sind eigentlich die Geschichten hinter der Geräten“, sagt Walter Jahn. So brachte kürzlich eine Frau eine Lampe von 1900 vorbei, die schon bei ihrer Urgroßmutter gestanden hatte. „Die Besucherin war überglücklich, als die wieder funktionierte“, so Jahn.
„Austausch, Hilfestellung, Teilhabe – das Repair-Café ist ein sehr gutes Beispiel für unsere Aktivitäten“, bestätigt auch Asam Ghodstinat und freut sich über den regen Betrieb an den Reparaturtischen. Im kommenden Jahr will sie die Angebote am „Drin“-Standort Hausen ausweiten, zusätzliche Öffnungszeiten für das offene Café, aber auch Sprach- und PC-Kurse anbieten. Beim Land Hessen hat sie dazu die Anerkennung des Standortes als „Familienzentrum“ beantragt: „Der Bedarf an niedrigschwelligen, kostengünstigen Angeboten wie diesen ist groß.“
Eine Übersicht über aller Reparatur-Initiativen findet man hier
Eine Übersicht über alle "Drin"-Projekte der evangelischen Kirche findet man hier
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