Frankfurt lokal

Planungen für das Paulskirchen-Jubiläum 2023: Raus aus der Filterblase

Zum 175. Jubiläum der ersten deutschen Verfassung im Jahr 2023 will das „Netzwerk Paulskirche“ neue Denkräume für die Demokratie schaffen.

In der Frankfurter Paulskirche wurde 1849 die erste deutsche Verfassung beschlossen. Damals fungierte sie tatsächlich noch als Kirche, heute ist sie in Nutzung der Stadt. | Foto: Antje Schrupp
In der Frankfurter Paulskirche wurde 1849 die erste deutsche Verfassung beschlossen. Damals fungierte sie tatsächlich noch als Kirche, heute ist sie in Nutzung der Stadt. | Foto: Antje Schrupp

Menschen denken meist sehr ähnlich wie ihre Freundinnen und Freunde, wie ihre Kolleg:innen auf der Arbeit oder die Community, mit der sie über Social Media verbunden sind. „Filterblasen“ werden die informellen Netzwerke genannt, in denen Menschen leben und ihre Ansichten entwickeln. Doch bereiten solche Blasen uns auch gut auf die Herausforderungen der Zukunft vor?

Nicht unbedingt, findet die Politikprofessorin Nicole Deitelhoff, die Direktorin der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. Sie hat daher die Idee der so genannten „Escape Bubbles“ entwickelt, also Begegnungsmöglichkeiten, die dabei helfen sollen, dem eigenen argumentativen Umgebungsrauschen auch mal zu entfliehen. In ihnen sollen sich Menschen spielerisch mit ihren vorgefassten politischen Einstellungen auseinandersetzen können. So könne gezeigt werden, „dass es Spaß machen kann, aus der Wohlfühlzone herauszukommen“, sagt Deitelhoff. In Anlehnung an das Spiel „Escape Room“ (Flucht-Raum) sollen mobile Boxen im öffentlichen Raum aufgestellt werden. Wer sich hineinbegibt, findet sich in einer Filterblaser wieder, der nur entkommen kann, wer ein Rätsel löst.

Solche „Escape Bubbles“ sind Teil eines umfangreichen Programms des „Netzwerk Paulskirche“, das bis Anfang 2024 in Frankfurt die Demokratie feiern und anschubsen möchte. Das Netzwerk plant derzeit 30 Projekte und hat dafür 40 Kooperationspartner:innen gewonnen, darunter viele städtische Museen, das Schauspiel Frankfurt, der Forschungsverbund Normative Ordnungen, das Institut für Sozialforschung und die Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung sowie zivilgesellschaftliche Akteure, wie medico international, Pro Asyl, Pulse of Europe und der Verein „Mehr als Wählen“. Gemeinsames Ziel sei es, Demokratie nicht nur als Regierungsform, sondern als „Lebensform“ zu verstehen, sagt Dominik Herold, einer der Initiator:innen. Dabei sollten auch historische und aktuelle „Risse“ aufgezeigt werden, begonnen bei der Frage der Repräsentanz im „Honoratiorenparlament“ der Paulskirche.

In der Frankfurter Paulskirche tagte von Mai 1848 bis Mai 1849 die erste deutsche Nationalversammlung. Im März 1849 beschlossen die Abgeordneten die Frankfurter Reichsverfassung. Das vom zivilgesellschaftlichen „Netzwerk Paulskirche“ geplante, von der Stadt Frankfurt mit gut einer Million Euro bezuschusste Programm zum 175 Jahre-Jubiläum ist auf eineinhalb Jahre angelegt: Es soll im Herbst beginnen, vom 12. bis 17. Mai 2023 in den „Frankfurter Tagen der Demokratie“ seinen Höhepunkt finden und im März 2024 in eine „Global Assembly“ münden. Die Stadt stellt für das Jubiläum insgesamt 3,5 Millionen Euro zur Verfügung. Davon sollen unter anderem auch der Festakt mit dem Bundespräsidenten und die Angebote der städtischen Tourismusgesellschaft bezahlt werden.

„Wir wollen uns aktiv mit Demokratie auseinandersetzen, nach dem Motto: Demokratie ist stets im Kommen“, sagt Dominik Herold. Auf einem Internationalen Symposium werden von 1. bis 3. Oktober etwa 100 Menschen aus der ganzen Welt zusammenkommen, um in der Paulskirche über „Kosmopolitismus von unten“ zu diskutieren. „Die Veranstaltungen sollen kein reines museales Erinnern, keine Affirmation des Gewesenen“ sein. Vielmehr solle es darum gehen, Demokratie praktisch zu erfahren, sagt Dominik Herold.

Die Veranstaltungen sollen in der ganzen Stadt stattfinden, etwa in den Bürgerhäusern und in einem „Demokratiewagen“, der in den Stadtteilen unterwegs ist. Überhaupt will das Netzwerk weniger auf klassische Formate, wie Vorträge und Podiumsdiskussionen setzen, sondern „Demokratie sinnlich erlebbar machen“.

Das Netzwerk Paulskirche ist offen für neue Mitglieder und Ideen. Einbringen kann man sich, in dem man per E-Mail-Kontakt aufnimmt: hallo@netzwerk-paulskirche.de.


Autorin

Anne Lemhöfer 147 Artikel

Anne Lemhöfer interessiert sich als Journalistin und Autorin vor allem für die Themen Kultur, Freizeit und Gesellschaft: www.annelemhoefer.de

0 Kommentare

Zu diesem Artikel wurden noch keine Kommentare verfasst. Schreiben Sie doch den ersten.

Artikel kommentieren

Wir freuen uns, wenn unsere Beiträge zu Diskussion und Austausch beitragen. Dabei bitten wir, auf angemessene Umgangsformen zu achten und die Meinung anderer zu respektieren. Bei Verstößen gegen unsere Netiquette-Regeln behalten wir uns vor, Kommentare nicht zu veröffentlichen.

Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder.

Errechnen Sie die Summe der dargestellten Zahlen
Captcha =