Nachbarschaftsräume entwickeln Gebäudeplan
Im vergangenen Sommer hat die evangelische Stadtsynode und Regionalversammlung von Frankfurt und Offenbach beschlossen, dass sich die Kirchengemeinden beider Städte bis zum 31. Dezember 2026 in zehn Nachbarschaftsräumen organisieren. Verschiedene Punkte gilt es entsprechend zu regeln, dazu zählen die Immobilien. Ein zwischen der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und dem Evangelischen Regionalverband Frankfurt und Offenbach abgestimmter Gebäudebedarfs- und –entwicklungsplan soll Grundlage für die Räumlichkeiten und Flächen der Nachbarschaftsräume sein. Wie der Plan aussehen kann, wird derzeit sondiert.
In Form von „Bereisungen“, Besichtigungen, werden die aktuellen Gegebenheiten vor Ort erkundet. Im Bereich Süd-Ost und Offenbach des Stadtdekanats haben sie dieser Tage stattgefunden. Vier Workshops zu den vier Nachbarschaftsräumen dieses Stadtdekanatsgebiets sind für Ende des Jahres 2024 geplant.
Start in der Frankfurter Innenstadt
Auftakt der ersten Tour an der Hauptwache: Ein Zollstock ragt aus dem Rucksack einer Bauabteilungsmitarbeiterin, ihre Kollegin hält ein Tablet in Händen – beim Start an der Sankt Katharinenkirche sind 15-20 Leute zusammengekommen: Pfarrer:innen, Kirchenvorstandsmitglieder, Vertreter:innen des Gebäudeausschusses, Mitarbeitende der Abteilung III Bau, Liegenschaften und Hausverwaltung des Evangelischen Regionalverbandes sind dabei, alle tragen festes Schuhwerk. Sie werden den gesamten Vormittag unterwegs sein, von vier Gemeinden werden Versammlungsräume und Kirchen besichtigt. Die Sankt Katharinengemeinde wird zukünftig mit der Sankt Paulsgemeinde, ebenfalls ansässig in der Innenstadt, und den beiden Nordendgemeinden, Sankt Peters und Gethsemane, einen Nachbarschaftsraum bilden.
Klaus Eldert Müller, als Kirchenmusiker von Sankt Katharinen Teil des Verkündigungsteams des Nachbarschaftsraums, schließt die Katharinenkirche in der Frühe für die Besichtigenden auf. Er und Kirchenvorstandsmitglied Wolfram Schmidt beschreiben die Gegebenheiten der Sankt Katharinengemeinde: Zum Beispiel, dass die Tage des Gemeindehauses an der Leerbachstraße gezählt sind. Bislang probte hier Müller mit der Kantorei. „Wir haben von der Gethsemanegemeinde ein freundliches Angebot erhalten“, berichtet Schmidt.
Welche Räume bleiben, wo Gemeindebüros zusammengelegt werden, ist noch offen. Die Landeskirche verfolgt die Absicht, bis 2030 zehn bis 15 Millionen Euro der Bauzuweisungsmittel einzusparen. Die Mitgliederzahlen gehen zurück, entsprechend muss reagiert werden. Mittels eines „qualitativen Konzentrationsprozesses“ soll verkleinert werden. „Es geht nicht um die einzelnen Flächen, sondern um das große Ganze“, leitet der Leiter der Bauabteilung des Evangelischen Regionalverbandes, Cornelius Boy, die erste Frankfurter „Bereisung“ ein. „Gebäude, die in der Innenstadt so nah beieinanderliegen, ermöglichen zahlreiche Varianten der Nutzung für die Menschen in den Gemeinden“, sagt die für den Bereich Süd-Ost und Offenbach zuständige Prodekanin Amina Bruch-Cincar.
Besuch der Gemeinden auf der südlichen Mainseite
An einem anderen Freitag geht es nach „Dribbdebach“, die Gemeinden zwischen Oberrad und dem äußersten Sachsenhausen, gleichfalls zum Dekanatsbereich Süd-Ost gehörend, werden in Augenschein genommen. Die zurückzulegende Strecke ist deutlich länger, mit Autos macht sich die Gruppe auf. Manche Ausschussmitglieder des Kirchenparlaments sind wieder dabei, auch bei den Vertreter:innen der Bauabteilung gibt es wenig Wechsel, nur die Haupt- und Ehrenamtlichen sind die der Erlösergemeinde, Oberrad und die von Maria-Magdalena sowie Dreikönig, beide Sachsenhausen.
Gestartet wird an der Erlöserkirche in Oberrad. Die Sachsenhäuser Gemeinden spreizen sich auf: zwischen Sachsenhäuser Berg und Mainufer, die Dreikönigsgemeinde – und zwischen hinterem Verlauf der Mörfelder Landstraße und Otto-Hahn-Platz die Maria-Magdalena-Gemeinde. Beide Gemeinden haben Fusionen erlebt.
Am Otto-Hahn-Platz steht die Lukaskirche, im Zweiten Weltkrieg traf eine Bombe das Jugendstilgebäude. Von der „Bilderkersch“ mit zahlreichen Gemälden Wilhelm Steinhausens ist wenig geblieben, Fotos künden im Treppenhaus von vergangenen Zeiten.
Nach dem Krieg wurde mit bescheidenen Mitteln wiederaufgebaut, mit viel Farbsinn Anfang der Zweitausender der Lukas-Kirchenraum erneut saniert, die Orgel in den neunziger Jahren umfassend renoviert. Das benachbarte ehemalige Pfarrhaus hat seit einigen Jahren einen privaten Eigner, der dieses auch für sich nutzt. Im Kirchhof ist eine orangefarben abgesetzte Kita entstanden – Umbauprozesse, Abgaben sind hier wie an vielen anderen evangelischen Kirchorten Frankfurts wohlvertraut.
Zum Abschluss dieser Tour parken die Fahrgemeinschaften in der Nähe des Eisernen Stegs. Hier erhebt sich die Dreikönigskirche, errichtet als „Pendant des Doms“. Zusammen kommt die Runde in ihrem Schatten, in einem Nachkriegsbau mit deutlichen Gebrauchsspuren. Vermarkten könne man das Bezirksbüro an der Oppenheimer Straße doch vielleicht, sagt jemand und dann wieder darin Räume mieten, etwa für Konzertproben. Ob ein Traum oder realistisch, wird sich in der weiteren Auswertung, zu denen die Nachbarschafts-Workshops im Herbst gehören, weisen.
Prodekanin Amina Bruch-Cincar erinnert daran, dass nicht länger in Gemeindekategorien zu denken ist, sondern „dass wir voneinander wissen müssen, um miteinander zu schauen, welche Räume wir in Zukunft brauchen – und uns leisten können“.
Besuch in Offenbach
Dicht gefüllt ist der Katharina-von-Bora-Saal der Stadtkirchengemeinde an der Kirchgasse beim Start der Bereisung des Offenbacher Nachbarschaftsraums. 2013 hat die Gemeinde das gleichnamige Zentrum abgegeben. Ein Porträt der Ehefrau Luthers und der Namenszug erinnern noch an die alten räumlichen Gegebenheiten der Stadtkirchengemeinde. Kirchenvorstandsmitglied Armin Hinterseher erläutert, wie die Gemeinde mit den Gegebenheiten zurechtkommt.
Eine vielfältige Mischung von 25 bis 30 Leuten besichtigt die evangelischen Kirchen- Immobilien in Offenbach: Kirchenvorstände aus verschiedenen Stadtteilen sind bei der ganztägigen Rundtour dabei, Mitglieder des Gebäudeaussschusses des evangelischen Kirchenparlaments von Frankfurt und Offenbach informieren sich an den 16 Stationen, Pfarrer:innen verschaffen sich einen Eindruck, manche der Beteiligten haben einen bestimmten Fokus: Gemeindepädagogin Anke Weiß etwa macht deutlich: „Mich interessieren vor allem die Räume für Kinder- und Jugendliche.“
Nächster Halt nach der Kirchgasse ist das historische Pfarrhaus der Französisch-Reformierten Gemeinde: Hier braucht es nicht allzu viel Notizen, als Personalkirchengemeinde mit besonderer Prägung wird sie im Rahmen des Prozesses ekhn2030 gesondert betrachtet. Ein paar Meter weiter geht es an der Herrngasse in die Stadtkirche und hinauf auf deren Turm: Ein luftiger großzügiger Raum – für mobile Jugendliche eine wunderbare Perspektive, für andere angesichts der vielen Stufen unerreichbar.
Einzelne Mitarbeitende der Bauabteilung halten bei den Besichtigungen Tablets in der Hand, machen sich Notizen oder auch mit dem Handy Fotos und gleichen vorhandene Planunterlagen ab. Andere plaudern, erkundigen sich nach den Besonderheiten vor Ort. Feedback-Fragebögen werden verteilt: Zu Gemeinderäumen, Kirchen, Gemeindebüros, in denen Besonderheiten und Notizen festgehalten werden können.
Genaue Zahlen zu Quadratmetern oder jeweiliger Bausubstanz will und kann der Leiter der Bauabteilung des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt und Offenbach, Cornelius Boy, zurzeit noch nicht nennen. „Wir befinden uns mitten im Prozess“, erläutert er. „Das Daten- und Planmaterial wird nun weiter aufbereitet und in Gebäudesteckbriefen erfasst. Ende des Jahres sollen die Workshops in den vier Nachbarschaftsräumen Süd-Ost stattfinden.“ Einer davon wird den Fokus auf Offenbach richten.
Prodekanin Amina Bruch-Cincar, im Evangelischen Stadtdekanat Frankfurt und Offenbach für den Bereich Süd-Ost und Offenbach zuständig, hält fest: „Menschen verbinden mit kirchlichen Räumen Heimatgefühle. Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass kirchliches Leben nicht aus Ziegeln und Zement besteht, sondern aus Beziehungen zwischen Gott und den Menschen.“
Die entsprechenden „Bereisungen“ im Bezirk Nord-West des Stadtdekanats wird es im kommenden Jahr geben. Dort hat Prodekanin Stefanie Brauer-Noss erst dieser Tage ihr Amt angetreten.