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„Man muss jedes Kind annehmen, wie es ist“

Ingeburg Hauptmeier geht im Januar nach 45 Jahren als Gemeindepädagogin im Frankfurter Süden in den Ruhestand. Wir fragten sie nach ihren Erfahrungen und wie sich die kirchliche Jugendarbeit im Verlauf von fast einem halben Jahrhundert verändert hat.

Ingeburg Hauptmeier hat Generationen von Kindern und Jugendlichen in Sachsenhausen aufwachsen sehen. | Foto: Rolf Oeser
Ingeburg Hauptmeier hat Generationen von Kindern und Jugendlichen in Sachsenhausen aufwachsen sehen. | Foto: Rolf Oeser

Frau Hauptmeier, warum sind Sie Gemeindepädagogin geworden?

Ich habe schon als Jugendliche gerne im Kindergottesdienst und in einem Jugendclub mitgearbeitet. Dann hatte ich eine Religionslehrerin, die mir nahelegte, Gemeindepädagogin zu werden. Wenn man es etwas pathetisch ausdrücken will: Ich habe mich berufen gefühlt. Zumal die Wege sich dann relativ unkompliziert geebnet haben. Ich wurde in der Ausbildungsstätte angenommen, obwohl ich erst 17 Jahre alt war und man normalerweise erst mit 18 Jahren beginnen durfte. Das habe ich nie bereut.


Wann haben Sie Ihre erste Stelle angetreten?

Am 1. Mai 1977 hier in der damaligen Lukasgemeinde in Sachsenhausen, da war ich erst 20. Später habe ich hier geheiratet, zwei Kinder bekommen und wir sind nach Oberrad gezogen.


Was waren Ihre Aufgaben?

Der Schwerpunkt war von Anfang an Kinder- und Jugendarbeit. Zuerst waren es ein Kinderkreis, zwei Jungschargruppen, eine Mädchengruppe bis zum Alter von 16 Jahren, ein Jugendkreis sowie ein Jugendbibelkreis und ein Vorbereitungskreis für Kindergottesdienste. Außerdem war ich damals auch noch in der ganzen Breite der Gemeindearbeit tätig, auch in der Altenarbeit und bei Hausbesuchen.


Was hat sich seit den 1980er Jahren verändert?

Im Jahr 1989 fusionierte die Lukas- mit der Ostergemeinde zur Maria-Magdalena-Gemeinde. Ab 2011 gehörte sie zum Planungsbezirk Sachsenhausen und Oberrad. Da war ich dann für zwei Stadtteile zuständig und hatte mehr übergeordnete Aufgaben. Aber der Evangelische Regionalverband finanzierte nur noch eine halbe Stelle für Jugendarbeit. Meine Gemeinde wollte mich jedoch für die Arbeit mit Kindern behalten, inklusive der Gottesdienste und Seelsorge. Ich bin der Maria-Magdalena-Gemeinde bis heute dankbar, dass sie eine weitere halbe Stelle für mich finanziert hat.


Welchen Schwerpunkt haben Sie gesetzt?

Das Zentrum ist für mich immer die gottesdienstliche Arbeit. Auch Gruppenarbeit ist natürlich wichtig, weil sie Gemeinschaft fördert. Ebenso Projektarbeit, weil sie oft einen ersten Kontakt zur Gemeinde ermöglicht. Aber ich habe alle Kinder in Kreisen und Gruppen immer zum Kindergottesdienst eingeladen. Ich finde es sehr wichtig, dass er jeden Sonntag angeboten wird. Die Gemeinde sollte sich im Gottesdienst treffen. Die Verkündigung ist wichtig, aber auch die Begegnung, zum Beispiel beim anschließenden Kirchencafé, wie wir es in der Lukaskirche jahrelang angeboten haben. Die Erwachsenen können sich begrüßen und auch mal kurz absprechen, die Kinder lernen sich noch etwas kennen.


Ihre Kindergottesdienste waren gut besucht.

Ja, vor rund 15 Jahren habe ich mit Pfarrer Mahnkopp und einem Team ein Konzept für Familiengottesdienste entwickelt, bei denen die Kinder anfangs mit den Erwachsenen zusammensaßen. Für den inhaltlichen Teil trennten sie sich, zum Abschluss kamen alle wieder zusammen. Wichtig war uns dabei, dass jeweils mit demselben Bibeltext gearbeitet wurde. So konnte er auch nach dem Gottesdienst noch in den Familien nachwirken.


Was trägt Sie?

Meine Gottesbeziehung, die mir einen festen Halt gibt, es gibt ja auch nicht nur fröhliche Zeiten im Leben. Ich habe es als meinen Auftrag angesehen, allen Menschen weiterzugeben, dass es einen Gott gibt, der uns liebt, der uns sieht und genau weiß, wie es uns geht, an den wir uns immer wenden können.


Was bedeutet das für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen?

Man muss jeden Einzelnen sehen und so annehmen, wie er ist. Auch sogenannte „schwierige“ Kinder, die vielleicht nur mehr Temperament haben als andere oder anstrengend sind, weil sie gerade in einer schwierigen Situation sind. Ein Mensch kann nur verstehen, dass er von Gott angenommen ist, wenn er das auch irgendwo erfahren kann. Wenn nicht in Kirche, wo dann?


Was hat diese Haltung bewirkt?

Ein damals ziemlich wilder Junge ist jetzt im Kirchenvorstand. Ich muss immer lächeln, wenn ich ihn heute da sehe. Ein anderer, er war wohl hochbegabt und bereits aus einigen anderen Gruppen – beim Sport, in der Schule – ausgeschlossen worden, hat bei uns eine Heimat gefunden. Ich habe dafür gesorgt, dass er von den anderen Kindern akzeptiert wurde, was auch bei ihnen was bewirkt hat. Er hat mir später geschrieben und sich bedankt. Das sind nur zwei Geschichten von vielen. Andere, die jetzt längst woanders lebe, melden sich, wenn sie mal wieder in Frankfurt sind und erzählen von sich. Das ist eine Wertschätzung, über die ich mich sehr freue.


Was hätten Sie gerne noch vorangebracht?

Um die Lukaskirche herum gibt es drei weiterführende Schulen: die Carl-Schurz-Schule, die Schillerschule und die IGS-Süd. Ich hätte hier so gerne ein Jugendcafé eröffnet oder im Sommer im Kirchhof Tische für sie aufgestellt. So würden sie Kirche als einladend erfahren. Das ist leider ein Traum geblieben.


Am 1. Januar 2023 gehen Sie nach 45 Dienstjahren in der Gemeinde in Ruhestand. Wie lassen Sie los?

Es ist wie bei Kindern und Jugendlichen. Man kann gut loslassen, wenn man das Gefühl hat, sie sind auf einem guten Weg. Noch vor einem Jahr waren wir personell knapp aufgestellt. Inzwischen haben wir wieder einen Kirchenmusiker, Simon Graeber, der auch gerne moderne Musik spielt, das ist sehr wichtig für die Arbeit mit Jugendlichen. Im Juni wurde die freie Pfarrstelle mit einer engagierten Pfarrerin, Stephanie Bohn, besetzt. Ich bin dankbar für unsere verantwortungsbewussten Ehrenamtlichen, und meine Kollegin und Nachfolgerin Jasmin Bendel tut alles, um für einen guten Übergang zu sorgen. So kann ich beruhigt gehen.


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Autorin

Stephanie von Selchow ist Redakteurin des EFO-Magazins.

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