OB-Wahlen: Das braucht Frankfurt jetzt!
„Ohje“, sagte eine Freundin neulich zu mir, „als ich für die Abwahl von Peter Feldmann gestimmt habe, war mir gar nicht klar, dass ich jetzt jemand anderen wählen muss!“ Ja, kleiner Scherz, das geht uns allen so, die wir hier in Frankfurt wahlberechtigt sind.
Glücklich die Menschen mit einer starken Parteibindung, die ihr Kreuz immer an derselben Stelle machen. Denn sage und schreibe 20 Personen stehen zur Wahl, so viele wie noch nie! Die meisten gehören gar keiner oder einer Mini-Partei an und haben nicht den Hauch einer Chance, aber hey: Dabeisein ist alles! Finden jedenfalls Tilo, Peter, Niklas, Sven, Frank, nochmal Peter, Karl-Maria und Markus. Schon bildet sich in meinem Geiste ein bestimmtes Profil, aber nein: Auch Feng, Maja und Khurrem stellen sich zur Wahl. Frankfurt ist nun mal emanzipiert und multikulti.
Wichtiger als Namen sind aber Inhalte. Worum sollte sich die oder der neue OB vor allem kümmern? Welche Probleme stehen ganz oben an? Dazu haben wir auf dieser Seite bereits einige Stimmen eingeholt. Schreiben auch Sie Ihre Meinung an info@efo-magazin.de.
Was würden Sie als OB in Frankfurt als erstes tun?
Anna Wagner (45), Intendantin und Geschäftsführerin im Künstler*innenhaus Mousonturm
Ich habe bereits meinen Traumjob, deshalb ist es unwahrscheinlich, dass ich Oberbürgermeisterin werde. Sollte dieser Fall dennoch eintreten, würde ich die Etats der Frankfurter Kultureinrichtungen stärken, damit sie ab sofort freien Eintritt für alle Menschen unter 30 anbieten können. Gleichzeitig führe ich an allen Theatern das solidarische Ticketsystem ein, das bereits jetzt am Mousonturm gilt. Menschen über 30 könnten in ganz Frankfurt den Preis für ihren Theaterbesuch wählen und so unabhängig von ihren Finanzen das tolle Kulturangebot nutzen. Gestaltungsräume für alle sind der Schlüssel zu einer demokratischen Stadtgesellschaft. Deshalb stärke ich auch existierende und zukünftige Begegnungsorte wie die ADA-Kantine und den Kulturcampus. Unter meiner Regierung wird er ein Modellprojekt, an dem Hoch-, Pop- und Subkultur gleichberechtig koexistieren.
Alexis Passadakis (46), Politikwissenschaftler und Klima-Aktivist
Das Klima kollabiert, die soziale Abstiegsspirale dreht sich schneller. Es braucht einen Strategiewechsel in der Wohnungspolitik, weil die soziale Spaltung der Stadtgesellschaft zunimmt. Spätestens beim Bürgerbegehren „Mietentscheid“ wurde klar, dass die ABG als städtisches Wohnungsunternehmen ein großartiger Hebel sein kann, um rasch mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Und mit der hauptsächlich städtischen Mainova könnte es massive Investitionen in erneuerbare Energien geben und Mieterstrommodelle mit günstigeren Preisen. Gleichzeitig muss der Einbau von Turbinen für fossiles Gas ins Heizkraftwerk West im Gutleut gestoppt werden. Politik ohne Geld funktioniert nicht: Deshalb würde ich Druck machen, dass die kommunale Unternehmenssteuer deutlich erhöht wird. Und zur Mobilitätswende gehört auch, dass kein Meter neue Autobahn mehr gebaut wird.
Joachim Valentin (57), Direktor des Hauses am Dom und Vorsitzender des Rates der Religionen
Der oder die neue OB sollte das Zentrum für Demokratie bei der Paulskirche zur Chefsache machen: Im Mai ist die Jubiläumsfeier „175 Jahre Nationalversammlung“. Außerdem sollte er oder sie eine Vision von einem lebenswerten Frankfurt im 21. Jahrhundert haben. Dazu gehört meiner Ansicht nach ein „Haus der Kulturen der Welt“, dafür würde sich das Stadthaus sehr gut eignen. Ein solches Haus sollte das Symbol für eine plurale Gesellschaft sein, an dem alle gleichberechtigt teilhaben können. Also Menschen etwa aus Spanien, Kroatien oder Polen – ich bin Katholik – ebenso wie Jüdinnen, Muslime, Buddhisten oder Hindus, deren schöne Tempel zurzeit am Rand der Stadt stehen. Außerdem muss eine ökosoziale Transformation stattfinden, nicht nur auf Kosten der Autofahrer – der Nahverkehr muss besser werden! Ich warte auch auf die Begrünung der Hochhäuser, wie sie im Koalitionsvertrag vorgesehen ist.
Johannes Löschner (33), Arbeitsbereichsleiter beim Evangelischen Verein für Jugendsozialarbeit
Frankfurter Kinder und Jugendliche stehen unter massiven Belastungen. Die aufeinanderfolgenden Notlagen durch Pandemie, Krieg und Inflation nehmen ihnen die Unbeschwertheit einer sorgenlosen Kindheit. Ich erlebe, dass Armut zunimmt. Als Oberbürgermeister würde ich dafür sorgen, dass ausreichend Geld zur Lebensmittelversorgung da ist, aber auch für Kleidung, Schulmaterialen und allgemeinen Grundbedarf. Auch die psychische und physische Gesundheit der Kinder leidet. Deshalb sind ganzheitliche und langfristige Angebote der Gesundheitsförderung wichtig. Kinder brauchen Orte und Räume, wo sie sich ohne Leistungsdruck und vordefinierte Erwartungen individuell entfalten können. Deshalb müssen die Offene Kinder- und Jugendarbeit, aber auch die Jugendverbandsarbeit ausreichend finanziert werden. Nur so kann Kindern und Jugendlichen eine Perspektive für ihr Leben geboten werden.
Lotta Herzog (10), Schülerin und Schauspielerin
Ich würde mir wünschen, dass der Filmstandort Frankfurt mehr gefördert wird. Auf Drehs höre ich oft, dass Frankfurt eine wirklich tolle Kulisse bieten kann (zum Beispiel in „Bad Banks“), aber noch nicht als wahrer Filmstandort wahrgenommen wird. Eine stärkere Förderung würde beim Nachwuchsproblem in der Deutschen Filmbranche helfen und gleichzeitig junge Schauspieler:innen aus Hessen stärken. Kinobesuche müssten außerdem günstiger sein. Eine vierköpfige Familie ist mit Getränken und Popcorn schnell mit 100 Euro dabei. Das können sich viele nicht leisten. Die städtische Kulturförderung basiert oft auf einer Vorstellung von „Kultur“, die für alte weiße Männer gedacht ist. Ich finde ja gut, dass Museumsbesuche für junge Menschen in Frankfurt subventioniert werden. Aber was ist mit dem Kino? Es wäre schön, wenn diese Kunstform ernster genommen werden würde – wie in Frankreich.
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