Wie Fechenheim evangelisch wurde
Wann die erste Kirche in Fechenheim erbaut wurde, ist ungewiss, doch schon in der ersten urkundlichen Erwähnung Fechenheims im Jahr 977 wird eine Kirche erwähnt: Kaiser Otto II. bestätigte damals dem Frankfurter Salvatorstift den Besitz an der Kirche in Fechenheim, die vermutlich zwischen Mainbörnchen, Leinpfad, Schießhütten- und Starkenburger Straße stand. Das älteste noch erhaltene Stück ist die historische Glocke, die heute im Foyer der Melanchthonkirche zu finden ist, sie wurde im Jahr 1390 gegossen.
Der Wunsch nach einem lutherischen Pfarrer
Politisch gehörte Fechenheim seit Ende des 15. Jahrhunderts zur Grafschaft Hanau-Münzenberg, weshalb die Reformation zunächst ohne direkte Auswirkungen auf Fechenheim blieb – in dieser Grafschaft bestanden sowohl die evangelische als auch die katholische Konfession lange nebeneinander, ohne starke Gegensätze wie andernorts. 1562 stellte die Hanauer Regierung fest, dass in Fechenheim noch „ein alter Papist“, also ein katholischer Pfarrer, tätig war. Auch die Kirche gehörte immer noch dem katholischen Stift. Die Fechenheimer Bevölkerung wünschte sich allerdings einen lutherischen Pfarrer, da der katholische Geistliche offenbar nur „Dienst nach Vorschrift“ machte – darüber hatten sie sich schon 1561 in Hanau beschwert. Es begann ein langer Briefwechsel zwischen Graf und Stift, das sich gegen die Einsetzung eines lutherischen Pfarrers wehrte.
Als 1563 die Pest im Land umging, sahen die Menschen in Fechenheim darin eine Heimsuchung Gottes und flehten den Grafen an, für ihr Seelenheil einen lutherischen Pfarrer zu schicken. Tatsächlich wurde am 9. Januar 1564 ein protestantischer Pfarrer für Fechenheim berufen: Pfarrer Peter Talenus. Gleichzeitig wurde Fechenheim jedoch als „Filiale“ an Rumpenheim angegliedert, sodass der Pfarrer für beide Orte zuständig war. Auch bei Schnee und Eis musste er von Rumpenheim nach Fechenheim laufen und unter Lebensgefahr per Boot übersetzen. Pfarrer Talenus starb schon 1567. Ihm folgten vier weitere lutherische Pfarrer im Amt, zuletzt kam 1578 Vincentius Koch .
Die „Zweite Reformation“: Fechenheim wird reformiert
Ab 1595 regierte der erst 19 Jahre alte Graf Philipp Ludwig II. in Hanau-Münzenberg. Er war streng reformiert erzogen worden – also nicht lutherisch, sondern im Sinne der Schweizer Reformatoren Zwingli und Calvin – und verkündete, dass auch seine Grafschaft entsprechend vom lutherischen zum reformierten Glauben wechseln müsse. Dafür wurden strenge Verhaltensvorschriften erlassen: Es gab eine Pflicht zum Gottesdienstbesuch und zur Teilnahme am Abendmahl, Familien mussten ihre Kinder reformiert erziehen, Feiern und Tanzen wurden eingeschränkt, Trunkenheit verboten. In der ganzen Grafschaft wurden alte Heiligenbilder, Kruzifixe und Altäre aus den Kirchen entfernt, aber auch lutherische Pfarrer abgesetzt.
In Fechenheim und Rumpenheim galt diese „zweite Reformation“ ab 1596. Pfarrer Koch musste sich entscheiden, sein Amt aufzugeben oder zum reformierten Bekenntnis zu wechseln – er „akkomodierte“ sich mit der Situation und wechselte die Seiten. So konnte er bis 1614 im Amt bleiben. Die bislang lutherische Fechenheimer Gemeinde war nun also „reformiert“ (im konfessionellen Sinn). Die überzeugten Lutheraner:innen besuchten trotzdem weiter lutherische Gottesdienste im „Ausland“, etwa in Bornheim, das nicht zur Grafschaft Hanau gehörte.
1618 begann der Dreißigjährige Krieg. Fechenheim hatte zu dieser Zeit etwa 200 Einwohner:innen. Tod, Zerstörung, brandschatzende Söldner, Hunger und Krankheiten wie die Pest – der Ort wurde damals schwer gebeutelt. 1635 brannte Fechenheim bis auf acht Häuser komplett ab. Im Jahr darauf legte Pfarrer Georg Bender das älteste noch erhaltene Kirchenbuch Fechenheims an. Die Bevölkerungszahl hatte sich seit Kriegsbeginn halbiert.
Zwei evangelische Konfessionen nebeneinander
1642 starben die Münzenberger Grafen aus. Das Gebiet fiel an das benachbarte lutherische Hanau-Lichtenberg, sollte aber reformiert bleiben. Der dortige Graf Friedrich Casimir förderte jedoch das Luthertum stark, zumal viele lutherisch geprägte Menschen nach dem Krieg aus anderen Regionen nach Fechenheim zuwanderten. Schon bald gab es genug Gläubige, um neben der reformierten auch eine eigene lutherische Gemeinde zu bilden. Sie hielt ihre Gottesdienste zunächst in einem Privathaus mit großem Saal ab, schon 1661 gab es aber erste Ideen, eine eigene Kirche zu bauen.
1670 stellte Hanau die Lutherische und die Reformierte Konfession rechtlich gleich. Die gräfliche Unterstützung für die Lutherischen führte aber bei den Reformierten in Fechenheim zu Ärger und Missgunst bis zu teilweise handfesten beiderseitigen Feindseligkeiten.
1671 kaufte die lutherische Gemeinde Grundstücke für eine Kirche. Ein Jahr später kam mit Johann Balthasar Rück der erste eigene Pfarrer. Sein Nachfolger Nicolaus Godaecus legte 1674 das älteste lutherische Kirchenbuch an. Der Gemeinde wurde erlaubt, für ihre Kirche in umliegenden Orten und außerhalb der Grafschaft Geld zu sammeln. Friedrich Casimir selbst gehörte zu den ersten Spendern. Ende August 1681 wurde der Bau einer kleinen Holz-(Fachwerk-) Kirche beauftragt, die 1686 fertiggestellt wurde. Fechenheim hatte nun also zwei evangelische Kirchen: die alte reformierte und die neue lutherische.
1689 brannte der Ort erneut fast vollständig ab, als unachtsame Soldaten im Rathaus ein Feuer auslösten. Nur sieben Häuser und die beiden Kirchen blieben heil.
Die reformierte Gemeinde in Fechenheim war immer noch eine Filiale von Rumpenheim. Erst 1719 wurde sie eigenständig und erhielt mit Johann Philipp Schlee ihren ersten „eigenen“ Pfarrer.
Nach dem Tod von Graf Friedrich Casimir und seinen Neffen, die ihn beerbt hatten, wurde die Grafschaft geteilt. Münzenberg (mit Fechenheim) kam so 1736 zur reformierten Landgrafschaft Hessen-Kassel.
Krisen, Kriege, Epidemien: Fechenheim im 18. Jahrhundert
Immer wieder war Fechenheim im 18. Jahrhundert von Kriegen betroffen. Neben Zerstörungen, Plünderungen und Epidemien bedeutete das die Einquartierung von Soldaten, die Bevölkerung in ihren Häusern unterbringen und verpflegen musste. Zugtiere mussten gestellt und Hilfsdienste geleistet werden. Dazu kamen hohe finanzielle Kriegslasten.
Viele Menschen, die alles verloren hatten, zogen durchs Land. Der reformierte Fechenheimer Pfarrer Peter Rauh beschwerte sich bei seinen Vorgesetzten, dass der Ort von auswärtigen Bettlern geradezu „überlaufen“ würde. Diese würden sogar in das Pfarrhaus eindringen und ihn, wenn er sie abwiese, schmähen und beschimpfen.
Fechenheim war damals viel kleiner als heute. 1754 gab es 527 Einwohner:innen, 117 Häuser, ein herrschaftliches Haus und die beiden Kirchen. Knapp zwei Drittel des Fechenheimer Gebiets war Ackerland, ein Drittel Gemeindewald, dazu noch einige Wiesen und Gärten. Die Seitengassen liefen damals direkt zum Mainufer, dort gab es einen weitläufigen Uferplatz, den auch Wagen befahren konnten und von dem aus die Leinreiter ihre Pferde in den Fluss trieben, die dort Lastkähne stromaufwärts zogen.
Wichtigster Mann war der sogenannte „Zentgraf“, der damals Vorsitzender des Ortsgerichts im Dorf und zugleich wohl auch eine Art „Ortsvorsteher“ war. Viele Berufe damals hatten mit der Herstellung von Textilien zu tun. Tuch- und Leinweberei spielten eine wichtige Rolle. Es gab erste „Fabriken“, die aber mit heutigen nicht zu vergleichen sind. Die Waren wurden von angelernten Arbeitern in umgebauten Wohn- oder Bauernhäusern hergestellt. Den Fabrikanten wurden viele Vergünstigungen gewährt. Für Fechenheim brachte dies einen gewissen, bescheidenen Wohlstand.
Mit der Zeit war die lutherische Kirche baufällig geworden und einsturzgefährdet, auch war die Gemeinde gewachsen. Während man zunächst über eine Reparatur und Erweiterung nachdachte, entschied man Ende der 1760er Jahre, die alte Kirche durch einen Neubau zu ersetzen.
Wie es mit dem Bau der Melanchthonkirche weiterging, erfahren Sie im nächsten Artikel in dieser Reihe.
0 Kommentare
Zu diesem Artikel wurden noch keine Kommentare verfasst. Schreiben Sie doch den ersten.