Die Ankunftshalle ist ihr Wohnzimmer: Wohnsitzlose am Flughafen
Sie haben kleine Koffer bei sich, schlafen auf Bänken in den Ankunftshallen und nutzen die Anonymität der Massen, um ein wenig Privatsphäre zu finden. „Oft sind es die Schuhe, die mir zeigen, dass dieser Mensch schon länger auf der Straße lebt“, sagt Kristina Wessel, deren geübter Blick mittlerweile sehr gut unterscheiden kann, wer regulärer Flugpassagier ist und wer sich hier zur Ruhe bettet, weil er keine andere Möglichkeit sieht.
Seit einigen Monaten ist die Sozialarbeiterin regelmäßig am Frankfurter Flughafen unterwegs und kümmert sich um jene Menschen, die keinen festen Wohnsitz haben und den geschützten Raum der Terminals als Aufenthaltsort nutzen. Sie spricht die Menschen an, vermittelt rechtliche oder medizinische Hilfe und begleitet sie bei Bedarf zu Behörden, sozialen Einrichtungen oder ins Krankenhaus. „Diese Begleitung ist sehr wichtig, da viele sich in der Infrastruktur gar nicht auskennen“, sagt Kristina Wessel. „Wenn ich jemanden vom Flughafen in die Stadt begleite, zeige ich ihm auch gleich, wo er Kleiderkammern, Duschmöglichkeiten oder andere Angebote findet.“
Es sind rund 200 wohnungslose Menschen, die sich immer wieder am Flughafen aufhalten. 50 bis 60 davon leben dort permanent und verlassen das Gelände kaum. Darunter sind Menschen aus osteuropäischen Ländern, aber auch viele Deutsche und erstaunlich viele Frauen. „Während wir im innerstädtischen Bereich einen Frauenanteil von rund einem Viertel unter den Wohnungslosen haben, sind es am Flughafen deutlich mehr“, sagt Kristina Wessel. „Dies mag daran liegen, dass sich die Frauen durch die starke Präsenz von Sicherheitspersonal vor Übergriffen geschützter fühlen.“
Das Diakonische Werk hat innerhalb der Strukturen des Flughafens ein Netzwerk an Partnern aufgebaut, die das Projekt unterstützen. So stellt zum Beispiel die Fraport AG dem Projekt einen Büroraum zur Verfügung.
Das Diakonische Werk für Frankfurt am Main hat wohnungslose Menschen schon lange im Blick, hatte bisher aber nicht die Kapazitäten, sie neben den Einsatzfeldern in der Innenstadt adäquat zu betreuen. „Der Weg zu den Terminals ist weit und das Terrain dort komplex“, sagt Karin Kühn, Arbeitsbereichsleiterin Diakonische Dienste. „Wenn wir die Menschen dort erreichen möchten, brauchen sie eine feste Ansprechpartnerin vor Ort. Schließlich ist es unser Ziel, die Menschen am Flughafen in die Hilfsangebote zu vermitteln und das bedarf intensiver Betreuung und viel Vertrauensarbeit.“
Durch die Stadt Frankfurt und den Landeswohlfahrtsverband konnte im Diakoniezentrum Weser5 eine Stelle für das Projekt eingerichtet werden. Das Projekt ist vorerst auf drei Jahre angelegt.