Beten im Ratskeller
Es ist kühl in den Römerhallen, zwischen die Steinsäulen dringt kaum Hitze von draußen. Beim 5. Tag der Religionen in Frankfurt gibt es also mindestens zwei Gründe für einen ausgiebigen Besuch: Die Flucht vor der Julihitze und das Thema „Gebet und Ritual“. Organisiert ist alles vom Frankfurter Rat der Religionen.
Dichtes Gedränge herrscht besonders zu Beginn der Veranstaltung vor den Ständen der neun Religionsgemeinschaften, die sich vorstellen. Auf Info-Tafeln sind Geschichtsabrisse über die Glaubensrichtungen nachzulesen. Auf den Tischen davor liegen spirituelle Gegenstände. „Die Leute interessieren sich sehr für uns und fragen viel“, sagt Sarah Shabanzadeh, Assistentin des Rabbinats der Frankfurter Jüdischen Gemeinde. Religion geht auch durch den Magen, das gehört oft zu den Ritualen dazu. Am Stand der Jüdischen Gemeinde lassen sich Burekas verkosten, knusprige Teig-Dreiecke mit Spinatfüllung. Die Christ:innen erklären Pfingsten, es geht um Eid-ul-Fitr, das Fest des Fastenbrechens in der islamischen Tradition, das jüdische Neujahrsfest Rosch Haschana.
In Frankfurt leben die Religionen friedlich Seite an Seite: Diesen Eindruck gewinnen auch zufällige Besucherinnen und Besucher, lockere Plaudereien von Stand zu Stand, von Glaubensrichtung zu Glaubensrichtung, prägen das Bild. Zu Gast in den Römerhallen sind die neun Frankfurter Religionsgemeinschaften, die im „Rat der Religionen“ interreligiöse Belange diskutieren: Sowohl die Ahmadiyya Gemeinde, als auch der Islam als ganzes, Baháí, Buddhismus, Christentum, Hinduismus, Judentum, Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage sowie die Sikh-Religion.
„Wir freuen uns sehr, dass der Tag der Religionen nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause endlich wieder vor Ort im Römer stattfinden kann“, sagt Joachim Valentin, Vorsitzender des 2009 gegründeten Rats der Religionen. „Gerade ein emotionales Thema wie Gebet und Ritual, das in diesem Jahr den Schwerpunkt dieses Events bildet, bringt uns als Menschen die in dieser Stadt leben untereinander wieder näher.“ Ob Psalm oder Hymnus, Herzensgebet oder Lobgesang, Segensgebet, Mantras und Sutras, die Anrufungen des formlosen Höchsten im Hinduismus – das Zwiegespräch mit Gott verbindet fast alle Religionen, auch wenn die Ausdrucksformen verschiedene sind.
Die einen strecken die Arme zum Himmel, um sich an Gott zu richten, andere halten die Hände wie eine Schale, manche fallen auf die Knie oder gar auf den Bauch nieder. Wer gleich vor Ort beten möchte, kann das im Ratskeller tun. Andere lassen sich auf Stühlen nieder, um Podiumsdiskussionen und Liedbeiträgen zuzuhören. „Liebe und Frieden verbinden die Herzen“, singen die Buddhist:innen der Bewegung Fo Guang Shan, der Student Onur Akdeniz erklärt das islamische Ritualgebet und Mitra Detweiler von den Frankfurter Baháí berichtet von Liebesbeziehungen zu Gott, wie sie die Mitglieder der im 19. Jahrhundert in Persien gegründeten Gemeinschaft pflegen.
Der Frankfurter Rat der Religionen soll den Dialog zwischen den Religionsgemeinschaften untereinander und mit der Stadtgesellschaft fördern und hat das Ziel, das gegenseitige Verständnis und Zusammenleben zu verbessern. Er nimmt aus religiöser Sicht Stellung zu gesellschaftlichen und politischen Themen der Stadt Frankfurt. 2012 wurde er mit dem Integrationspreis der Stadt Frankfurt und 2019 mit dem hessischen Integrationspreis ausgezeichnet und ist Gründungsmitglied im Bundeskongress der Räte der Religionen.
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