300 Mahlzeiten am Tag: Winteraktion in der Katharinenkirche
Die
Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe rechnet damit, dass in diesem Jahr
die Zahl der Menschen ohne feste Bleibe auf etwa 1,2 Millionen steigt. 2016
zählte sie „nur“ rund 860.000. Bei der Mitte
Januar in der Katharinenkirche an der Hauptache gestarteten Winteraktion ist von dieser
Entwicklung bislang nichts zu spüren.
Dass der Ansturm bisher nicht größer ist als sonst, könne allerdings an den milden Temperaturen liegen, vermutet Teamleiterin Georgia von Holtzapfel. „Rund 70 Prozent der Gäste sind bekannte Gesichter.“ Wie in den vergangenen Jahren versammelten sich an den Tischen Arbeitslose, Hartz IV-Empfängerinnen, Menschen mit kleiner Rente, klassische Obdachlose sowie Menschen aus Osteuropa, deren Anteil sich deutlich erhöht hat.
Wobei es schwierig sei, die Menschen einzuordnen. Auch für eine wie Georgia von Holzapfel, die schon seit 2001 dem Team der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer angehört, und seit zehn Jahren in leitender Funktion. Schon wiederholt hat sie sich getäuscht. „Manche Besucher sind so gepflegt, dass ich sie für Touristen gehalten habe.“
Die freiberufliche Dolmetscherin kennt inzwischen viele Gäste beim Namen und ist mit ihren zum Teil tragischen Schicksalen vertraut. „Es rührt mich jedes mal wieder, wie bescheiden und dankbar die Menschen sind. Selbst wenn ich ihnen Monate später irgendwo in der Stadt begegne, erfahre ich von ihnen noch Dankbarkeit.“
Es komme auch vor, dass Besucher aufgrund von Drogen oder Alkohol aneinander geraten, eine ernsthafte Eskalation habe es aber noch nie gegeben. Die Mehrzahl wisse die Winteraktion zu schätzen, sagt auch Carolin Killmer, eine weitere Helferin. Nicht wenige litten unter Einsamkeit und genießen es, in Gesellschaft zu sein.
Killmer ist seit zehn Jahren im Team. Auch sie hat schon viele Sorgen und Nöte gehört, doch manchmal muss sie auch schmunzeln. Etwa wenn die Kita-Kinder aus der Katharinengemeinde ihren traditionellen Besuch abstatten und für die Gäste singen. „Wenn die Kinder hinterher an den Tischen Süßigkeiten verteilen, nehmen die Leute richtig Haltung ein.“ Auch Konfirmandengruppen oder Jugendliche, die ihr Schulpraktikum bei der Winteraktion absolvieren, kämen gut an.
Den Kern des Teams, das die Winterspeisung möglich macht, bilden Ehrenamtliche aus der Katharinengemeinde. Aber sie haben Unterstützung: Seit über einem Jahrzehnt helfen täglich acht bis neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Deutschen Bank im Rahmen eines „Social Days“-Programms mit. Und seit zwei Jahren packen unter dem Motto „Wir tragen den Adler im Herzen“ auch Eintracht-Ultras mit an. Finanziert wird die Aktion nach wie vor ausschließlich über Spenden. Die Heinz und Gisela Friedrichs-Stiftung trägt seit 1991 maßgeblich dazu bei.
Die Aktion sei „weit mehr als Essen verteilen“, wie Pfarrer Olaf
Lewerenz betont. Die Kirche sei während der Winteraktion „ein Ort, an dem sich Menschen
aufgehoben fühlen, an dem sie Anbindung und Wertschätzung finden“. Die
Musikhochschule offeriert zweimal wöchentlich ein Programm, ausgebildete
Ehrenamtliche bieten in einem separaten Raum seelsorgliche Begleitung an. In
diesem Jahr sei wieder wöchentlich mehrmals die Straßenambulanz präsent, um
medizinische Versorgung zu leisten.
An zwei Nachmittagen gibt es eine Andacht. „Die Leute kommen dann sichtlich zur Ruhe und hören zu. Hier gibt es auch sehr religiöse Besucher“, sagt Pfarrer Lewerenz. Was noch fehle, sei Beratung bei Sucht, Verschuldung oder Problemen mit Formalitäten. „Das können wir in der Katharinenkirche nicht oder nur in Ansätzen tun“, bedauert der Pfarrer. Immerhin gebe es mittlerweile entsprechende Stellen, an die wir die Ratsuchenden verweisen können.
Die diesjährige Winteraktion in der Katharinenkirche läuft noch bis zum 10. Februar, täglich ab 11.30 Uhr.
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