Zwischen Egoismus und Hilfsbereitschaft
Es sind seine Bienen und seine Liebeleien, die Egidius Arimond die Kraft geben, das letzte Kriegsjahr 1944/45 in einem kleinen Eifelstädtchen im Urftland zu überstehen. Der Bienenzüchter ist ein vorzeitig entlassener Lehrer für Latein und Geschichte, der an Epilepsie leidet und deshalb nicht zum Kriegsdienst muss. Kenntnisreich und mit liebevoller Achtung erzählt er in seinen Tagebucheinträgen von den Winterbienen, die die Aufgabe haben, das Bienenvolk über die kalte Jahreszeit zu bringen und von ihrem Leben im Lauf eines Jahres.
Menschliche Wärme gibt ihm Maria, eine Kellnerin. Ungeachtet der Gefahr verliebt er sich sogar in die Frau des Kreisleiters. Aber ihr Verhältnis endet abrupt, als er einen Anfall erleidet.
Wie seine Bienen tut Egidius Arimond unbeirrt das, was getan werden muss. In präparierten Bienenstöcken bringt er jüdische Flüchtlinge an die Grenze zum besetzten Belgien. Er braucht allerdings auch ihr Geld, um das Medikament gegen seine Epilepsie bezahlen zu können.
„Winterbienen“ wirkt so eindrücklich, weil Norbert Scheuer seinen Erzähler sehr unsentimental, manchmal fast unterkühlt, im Tagebuch berichten lässt. In seinem vielschichtigen Roman beschreibt er den wiederkehrenden Rhythmus der Natur, der seinem eigenwilligen Protagonisten inneren Halt gibt. Er führt die Unmenschlichkeit des Naziregimes vor Augen, das Juden und Kranke ausmerzen wollte. Und er zeigt den Menschen „in seiner Ambivalenz zwischen egoistischem Überlebenswillen und mitleidvoller Hilfsbereitschaft“, wie es in der Begründung für den Evangelischen Buchpreis 2020 heißt. Mit diesem ist „Winterbienen“ jetzt ausgezeichnet worden.
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