Ethik & Werte

Vertrauen gesucht

Das alte Vertrauen in Instanzen, Autoritäten und Institutionen schwindet. Woher kommt der Vertrauensverlust und wie können wir ihm entgegenwirken?

Wir Menschen haben die Bedingungen unserer Existenz nicht unter Kontrolle. Deshalb können wir ohne Vertrauen nicht überleben. Weder als Einzelne noch als Gesellschaft. | Foto: uschools/Istockpohto
Wir Menschen haben die Bedingungen unserer Existenz nicht unter Kontrolle. Deshalb können wir ohne Vertrauen nicht überleben. Weder als Einzelne noch als Gesellschaft. | Foto: uschools/Istockpohto

Laut dem Meinungsforschungsinstitut Allensbach ist das Vertrauen der Deutschen in die Zukunft seit 1990 stark gesunken, von 68 Prozent auf 19 Prozent. Vertrauen ist aber unerlässlich für das Funktionieren unserer Gesellschaft. Wenn alle immer nur misstrauisch sind, geht irgendwann gar nichts mehr.

Aber woher kommt dieser Vertrauensverlust, und was können wir dagegen tun? Der Autor und Internet-Experte Sascha Lobo schreibt in seinem neuen Buch „Die große Vertrauenskrise“, dass wir uns derzeit in einem Übergang befinden. Das „alte Vertrauen“ in Autoritäten wie Medien, Politik und Wissenschaft sei verloren gegangen, aber es wurde bisher kein neues aufgebaut.

Vor dem Internet war es technisch unmöglich, allen Menschen den Zugang zu Informationen zu ermöglichen. Daher blieb ihnen gar nichts anderes übrig, als den Institutionen und Autoritäten zu vertrauen. Heute ist das anders. Grundsätzlich können alle Informationen transparent gemacht werden. Mit dem Internet hat sich also die Beweislast umgekehrt: Wenn etwas heutzutage nicht öffentlich zugänglich ist, stellt unweigerlich jemand die Frage: Warum nicht? Was wird hier verheimlicht? Lobo argumentiert nun, dass „neues Vertrauen“ nur auf der Grundlage von Transparenz entstehen kann. Ansprechbarkeit und niedrige Zugangshürden seien dafür auf allen Ebenen die entscheidenden Faktoren.

Die akute Vertrauenskrise lässt sich auch als Glaubenskrise beschreiben. Interessanterweise bedeutet das griechische Wort „pistis“ im Neuen Testament beides: Man kann es sowohl als „Vertrauen“ als auch als „Glauben“ übersetzen. Tatsächlich kommt das, was Sascha Lobo meint, wenn er über Vertrauen schreibt, der Bedeutung von „pistis“ sehr nahe: Das Problem ist ja nicht eine gesunde Skepsis gegenüber offiziellen Aussagen, sondern das generelle Fehlen von Zuversicht: Viele Menschen „glauben“ nicht mehr daran, dass das Leben und die Welt insgesamt einen Sinn ergeben. Sie haben keine Hoffnung, dass sich die Dinge zum Guten wenden können.

Aber woher könnte ein solches „glaubendes Vertrauen“ kommen? Rational herleiten oder gar beweisen lässt es sich nicht. Wenn wir zum Beispiel auf die Klimaprognosen schauen oder sehen, wie skrupellos Autokraten überall auf der Welt handeln, erscheint ein „Happy End“ sogar eher unwahrscheinlich. Nötig ist daher

das, was im Amerikanischen „leap of faith“ genannt wird: ein „Sprung“, den man selbst unternimmt. Glauben beziehungsweise Vertrauen bedeutet, bewusst eine bestimmte Haltung und Perspektive in der Welt einzunehmen.

Sascha Lobo schreibt in Bezug auf die Komplexität von beispielsweise den Gefahren und Chancen künstlicher Intelligenz, dass eine „Mischung aus Selbstvertrauen, Wissen und Hoffen oder Glauben“ nötig sei. Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass die Welt Unwägbarkeiten und Unvorhersehbares enthält, mit dem wir Menschen einfach klarkommen müssen.

Es gibt nun einmal Dinge, auf die wir existenziell angewiesen sind, ohne sie kontrollieren zu können. Das ist heute nicht anders als schon immer. Die Kunst besteht darin, in dieser Situation nicht zum Menschenfeind oder zur Egoistin zu werden, sondern nach besten Kräften daran mitzuwirken, die Welt zu einem lebenswerten Ort für alle zu machen.


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Antje Schrupp 238 Artikel

Dr. Antje Schrupp ist Chefredakteurin des EFO-Magazins. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com Mastodon: @antjeschrupp@kirche.social