Ethik & Werte

Segnende Roboter und das Dilemma der Künstlichen Intelligenz

Ein Segensroboter namens „Bless U-2“ hat sehr kontroverse Diskussionen ausgelöst. Können Maschinen geistliche Handlungen ausführen? Gibt es Künstliche Intelligenz wirklich und kann sie uns gefährlich werden? Ein Studientag in der Evangelischen Akademie ging diesen Fragen auf den Grund.

Kann ein Roboter segnen? Kontroverse Diskussionen über einen Segensroboter. Foto: Christina Oezlem Geisler/epd-Bild
Kann ein Roboter segnen? Kontroverse Diskussionen über einen Segensroboter. Foto: Christina Oezlem Geisler/epd-Bild

Beim Segensroboter Bless U ist auf den ersten Blick klar, dass es sich um einen Roboter handelt. In anderen Situationen, etwa am Telefon oder am Computer, jedoch nicht: Künstliche Intelligenz (KI) könne personale Kommunikation inzwischen täuschend echt nachahmen, sagte die Informatikerin Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs, beim Studientag in der Evangelischen Akademie am Römerberg. 

Im Bereich der Spracherkennung sei die Entwicklung mittlerweile so weit, dass man Maschine und Mensch nicht mehr unbedingt unterscheiden kann. Allerdings gebe es bislang keine Kennzeichnungspflicht für Systeme der KI, weshalb Verbraucherinnen und Verbraucher nicht erkennen können, wann sie es mit einer zu tun haben. Es sei jedenfalls höchste Zeit, ethische Richtlinien für den Bereich der Entwicklung Künstlicher Intelligenz auszuarbeiten, mahnte Kurz. Hier sei noch viel zu wenig getan worden, ganz im Gegenteil: Wie man am Beispiel des automatisierten Fahrens sehen kann, wird die Entwicklung ethischer Rahmenbedingungen vom Einsatz der Technik überholt.

Kirchenpräsident Volker Jung zog dennoch eine positive Bilanz des Segensroboters „Bless U2“, den die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau für die Weltausstellung Reformation in Wittenberg konzipiert hat. Für viele Menschen habe der Roboter die Schwelle, mit der Kirche in Berührung zu kommen, gesenkt. Für andere allerdings sei eine Maschine, die geistliche Handlungen ausführt, unannehmbar. Zwar sei „Bless U2“ kein humanoider Roboter, doch deuten die Reaktionen der Menschen laut Jung auf Fragen, mit denen sich die Kirche in Zukunft beschäftigen wird: Kann Künstliche Intelligenz personale Kommunikationsprozesse – etwa in der Seelsorge – ersetzen? Können Roboter geistliche Handlungen ausführen? Was ist diesbezüglich möglich und ethisch vertretbar?

Joachim Hertzberg vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Osnabrück brachte wissenschaftliche Fakten in die Diskusion: In der KI-Forschung gehe es um die Konstruktion von Systemen, die in abgrenzbaren Bereichen bestimmte Eigenschaften menschlicher Intelligenz erbringen können und so nützlich sind, zum Beispiel beim Ziehen von Schlussfolgerungen oder beim Planen. Grundlage dafür ist das Erkennen von Mustern und die Auswertung riesiger Datenmengen, wie etwa beim automatisierten Fahren. Es gebe aber auch eine andere, radikalere Forschungsrichtung (die so genannte „harte KI“), die den Anspruch verfolge, die geistigen Möglichkeiten des Menschen auf Maschinen zu übertragen und diese als transhumanoide Akteure zu einem Teil unserer Lebenswelt zu machen.

Dieser Teil der Forschung, so wurde in den Diskussionen deutlich, berührt utopische Fantasien, aber auch Ängste, wie etwa die Sorge, dass Menschen die Entwicklung nicht mehr kontrollieren können, oder dass die Grenzen zwischen Mensch und Maschine immer mehr verschwimmen. Hertzberg zufolge ist jedoch unsere Alltagsintelligenz gegenwärtig von Künstlicher Intelligenz nicht einholbar. Die Frage, ob man geistliche Handlungen auf Maschinen übertragen kann, sei eher die Frage, wie man diese Handlung jeweils definiert: Wie funktionieren geistliche Handlungen, etwa der Zuspruch des Segens? Weil sie jemand ausführt, oder weil das Subjekt ihnen eine Wirkung zuspricht?

Laut Dirk Evers, dem Präsidenten der European Society for the Study of Science and Theology, ist für religiöse Kommunikation die Fähigkeit zu Selbstdistanz und -reflexion wesentlich, denn nur dann werde eine gemeinsame Ausrichtung auf etwas Drittes, nämlich Gott, möglich. Ein Roboter könne zwischen sich selbst und seiner Rolle (also zwischen Amt und Person) nicht unterscheiden. Ein KI-System kann Personalität nur simulieren, es hat keinen Personenstatus.

Was dazugehört, damit sich ein Mensch bei einer Segenshandlung im Innersten angesprochen fühlt, reflektierte der Theologe Christian Grethlein von der Universität Münster. Substanziell für das Empfangen des Segens sei der Kontext: Die Authentizität der Segenshandlung sieht er in der menschlichen Biografie begründet. Historisch betrachtet sei die Segenspraxis eine volkstümliche Kommunikationsform, die aus der Situation des Abschiednehmens entstand. Durch den Segen binden sich die Menschen an das Unverfügbare an. Zwar sei Segen grundsätzlich immer medial vermittelt, aber die Verknüpfung von Immanenz (also persönlichem Kontext) und Transzendenz (der Bezug auf das Unverfügbare) könne von Maschinen nicht geleistet werden. Grethlein kritisiert aber nicht nur segnende Roboter, sondern auch die „klerikale Domestizierung“ der Segenshandlung im Protestantismus: Das Segnen sei hier zu einer puren Amtssache gemacht worden.

Insofern könnte der Segensroboter auch als eine gelungene Installation aufgefasst werden, die mechanistische Auffassungen religiöser Kommunikation karikiert und hinterfragt.


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Silke Kirch 55 Artikel

Dr. Silke Kirch studierte Germanistik, Kunstpädagogik und Psychologie in Frankfurt am Main und ist freie Autorin und Redakteurin.