Seelsorge im Krankenhaus: Missionieren streng verboten
Die Frau kam aus Bosnien und hatte zwei Kinder tot geboren. Die Krankenschwestern spürten ihre Verzweiflung und boten ihr an, eine Seelsorgerin zu holen. Aber die Muslimin schüttelte nur den Kopf und wandte sich ab. Bis Rabia Bechari ins Zimmer trat, Kopftuchträgerin, 37 Jahre alt, Mutter von drei Kindern und ausgebildete muslimische Seelsorgerin.
Eine Krankenschwester hatte sie gebeten, es doch noch einmal zu versuchen. Rabia Bechari stellte sich vor und erklärte, dass Seelsorge zwar ursprünglich ein christliches Konzept ist, aber andere Religionen jetzt von der jahrzehntelangen Erfahrung evangelischer und katholischer Krankenhausseelsorgerinnen und -seelsorger profitieren. „Diesen Zusammenhang muss ich im Krankenhaus immer wieder erklären“, erzählt sie. „Aber dann fassen die Patienten schnell Vertrauen und sind froh, sich endlich ihren Kummer von der Seele reden zu können. “
„Man darf niemanden bedrängen, nur auf Fragen antworten“
Rabia Bechari hat 2011 die Seelsorgeausbildung für Ehrenamtliche des Ökumenischen Arbeitskreises Frankfurt gemacht. „Die Ausbildung der christlichen Träger ist seit Jahren bewährt, und wir müssen das Rad ja nicht neu erfinden“, sagt sie. „Aber für die Patienten macht es einen großen Unterschied, ob man als Seelsorgerin ihre Kultur und Religion kennt“, sagt sie.
„Es fängt wirklich schon bei der Sprache an: Viele muslimische ältere Patienten sprechen ja kaum Deutsch.“ Im Seelsorgegespräch stehe immer der Mensch im Vordergrund, wie es ihm in seiner Situation gerade gehe und nicht, ob und was er glaube. „Missionieren ist im Islam sogar verboten“, sagt Bechari. „Man darf niemanden bedrängen, nur auf Fragen antworten.“
So habe die bosnische Frau sich etwa mit der Frage gequält, ob Allah sie mit den Totgeburten strafen wolle. Andere fragten am Ende des Gesprächs, ob man gemeinsam Bittgebete sprechen könnte. Aber eine solche religiöse Wendung im Gespräch sei keineswegs zwingend. „Wie bei den Christen gibt es auch unter Muslimen viele, die nicht mehr sehr gläubig sind“, sagt Bechari. „Aber auch zu deren Gesundung kann es beitragen, wenn ihnen jemand mitfühlend, offen und ehrlich zuhört.“
12 Prozent der Frankfurter Bevölkerung sind muslimisch
Zusammen mit Rabia Bechari haben in den vergangenen zwei Jahren 21 Muslime und Musliminnen die Seelsorgeausbildung des Ökumenischen Arbeitskreises abgeschlossen. „Aber das reicht noch nicht für alle Krankenhäuser in Frankfurt“, sagt Bechari. „In Frankfurt sind jetzt zwölf Prozent der Bevölkerung Muslime.“
Die erste Andersreligiöse, die 2009 beim Ökumenischen Arbeitskreis anfragte, ob sie an der Seelsorge -Ausbildung teilnehmen dürfe, war allerdings keine Muslimin, sondern eine Buddhistin. Der Arbeitskreis leitete die Frage damals an den Rat der Religionen weiter. Auch viele Krankenhäuser wollten wissen, welche Maßstäbe sie an Seelsorgeangebote anderer Religionen anlegen sollten.
Antworten hat der Rat in einer kürzlich erschienenen Broschüre „Seelsorge interreligiös“ zusammengefasst, die gemeinsame ethische Standards formuliert. „Dabei haben wir uns an den USA orientiert. In Amerika leben ja schon immer viele Nationen und Religionen zusammen“, erklärt Pfarrer Winfried Hess, der die Seelsorgeausbildung des Ökumenischen Arbeitskreises leitet.
Wesentlich sei, dass die Würde und der Wert jedes einzelnen Menschen beachtet und gestärkt werde, sowie der Respekt vor den kulturellen und religiösen Werten des Gegenübers. Auch dürfe niemand wegen des Geschlechts, der Religion oder der sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Aber vor allem dürfe eine Krankenhausseelsorgerin niemals ihre eigenen Werte und Überzeugungen anderen aufdrängen oder das Machtgefälle in der besonderen Beziehung am Krankenbett ausnutzen.