Let's face it: Wir wollen zwar das Gute, tun dann oft aber doch was anderes
Flugreisen schaden dem Klima, das weiß man. Und klickt trotzdem den günstigen Flug im Internet. Nicht ohne sich innerlich zu rechtfertigen: Ich brauche diese Pause. Mit den Kindern geht es gar nicht anders. Gewissen, Schuldgefühle, Flugscham – meldet sich hier eine religiöse Dimension? Der Religionsdetektor schlägt an.
Das Phänomen erinnert an die klassische Sündenthematik: Auch die Sünde hat ihren Dreh darin, dass ich weiß, ich handle falsch – und tue es trotzdem. In einem Bild von Martin Luther: Das Wollen verstrickt sich in sich selbst. Als Mensch bin ich kein reines Vernunftwesen. Ich will zwar das Gute, habe aber auch sinnliche Bedürfnisse, ich möchte es bequem haben, suche den eigenen Vorteil oder auch nur den Weg des geringsten Widerstandes, ich gönne mir was. Und darüber verliere ich das große Ganze aus dem Blick.
Eine Pointe der reformatorischen Theologie ist nun: Aus diesem Zirkel kommt man nie heraus. Egal wie sehr ich mich anstrenge, letzten Endes bleibe ich „sündig“. Zwar bin ich als Mensch gleichzeitig auch „gerecht“. Aber um das zu sehen, braucht es eine andere, externe Perspektive. Einen Blick, der mich nicht nach der Richtigkeit meines Handelns bewertet, sondern nach anderen Regeln, denen der Gnade. Dafür steht Gott.
Zurück zur Flugscham. Der Versuch, möglichst klimaneutral zu leben, ist wichtig. Aber nach dem zugegeben pessimistischen Menschenbild der Reformation kann er nicht ans Ziel führen. Unser „in sich selbst verstrickter“ Wille kommt immer dazwischen. Da hilft auch keine CO2-Kompensation, genauso wenig wie der mittelalterliche Ablasshandel irgendetwas gelöst hätte.
Flugscham hilft weder unserem Selbstbild noch dem Klima. Aber sie erinnert immerhin an die eigene Fehlbarkeit und macht damit (letzter Ausflug in die Tradition) im guten Sinne demütig.
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