Häresie-Check: Ist der Leichenschmaus pietätlos?
Am Leichenschmaus scheiden sich die Geister. Schon das Wort klingt frivol angesichts eines Toten. Es wird in größerer Runde gegessen und getrunken, auf dem Land gerne auch ein Bierchen und der eine oder andere Schnaps. Und ja: Es geht dabei auch schon mal fröhlich zu, wenn Anekdoten und Geschichtchen aus dem Leben der Verstorbenen die Runde machen. Dieser Umgang mit dem Tod wirkt auf manche pietätlos.
Ist er aber nicht. Der bereits in vorchristlicher Zeit und in vielen Kulturen gepflegte Brauch eines Traueressens – ich spreche gerne vom Trösterkaffee – verträgt sich gut mit der christlichen Botschaft, dass das Leben den Sieg über den Tod behält.
Die innere Anspannung und die Fixierung auf den Verlust kommen im Bestattungsritual auf dem Friedhof zu ihrem vorläufigen Höhepunkt. Dieser Zustand muss jedoch immer wieder einmal unterbrochen werden, damit die Seele keinen Schaden nimmt und sich auch wieder mit dem Leben und den Lebenden beschäftigt. Essen und Trinken sind elementare Lebensvollzüge und halten Leib und Seele zusammen; die „salzigen“ belegten Brötchen stehen für die Tränen, der „süße“ Kuchen für das Gute der Erinnerung. Dass bei solch einem Treffen vieles noch einmal in einer Art Zusammenschau erzählt wird, hilft beim Loslassen des gestorbenen Menschen. Beim Zusammensein erlebe ich meine Trauer in Gemeinschaft. Ich bleibe also nicht bei mir selbst und meiner Trauer, sondern schaue darüber hinaus und vollziehe zumindest eine symbolische oder vorläufige Rückkehr ins Leben. Solche Momente sind wichtig, damit die Begegnung mit dem Tod nicht auf immer mein Leben beherrscht, sondern nach und nach eingebaut wird in eine neue Perspektive - und oft auch einen neuen Lebensinhalt. Im Trauerprozess vermittelt der Leichenschmaus also eine Menge: Geteiltes Leid ist halbes Leid, ich bin nicht allein, und vor mir liegt neues Leben.
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