Fremde bitte draußen bleiben?
„Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. Und sie gebar ihren ersten Sohn und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge“: Die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium werden wir bald wieder hören, unterm Christbaum, in der Kirche. Oder in der Erinnerung, wo sie bei vielen Menschen seit der Kindheit abgespeichert ist.
Und es geht ja nicht weniger dramatisch weiter. Das Matthäus-Evangelium erzählt die Flucht nach Ägypten, die Josef und Maria mit dem neugeborenen Jesus vor dem tyrannischen König Herodes antreten müssen. Für Verfolgte geht es nicht nur um eine warme Unterkunft – sondern oft um Leben und Tod. Menschen müssen weite Strecken bewältigen und in Regionen zurechtkommen, in denen sie nicht immer gern gesehen sind. Wo man ihnen einen Stall zuweist oder ein Wohnheim und eine oft ungewisse Zukunft. Zum Beispiel, weil zwar nicht mehr Quirinius römischer Statthalter in Syrien ist, aber Baschar Al-Assad als Alleinherrscher große Teile des Landes regiert, das seit dem Bürgerkrieg zerstört und verarmt ist. Syrerinnen und Syrer suchen Zuflucht bei uns, Menschen aus vielen anderen Ländern ebenso.
Herrschende wechseln, Staatsgrenzen verschieben sich, Verkehrsmittel entwickeln sich weiter, aber eine Tatsache ist so alt wie die Menschheit: Männer, Frauen und Kinder flüchten vor Krieg und Gewalt, vor Menschenrechtsverbrechen und willkürlicher Justiz. Migrant:innen stellen unsere Gesellschaften natürlich vor große Herausforderungen. Sie brauchen Unterkünfte und Jobs, sie kommen mit Traumata im Gepäck und begehen, wie Einheimische, Straftaten. Auch entsetzliche Straftaten. Wäre nicht alles viel einfacher, wenn wir die Grenzen dicht machen würden?
Geflüchtete sind als Sündenböcke brauchbar, weil sie ein scheinbar naheliegendes Narrativ bedienen: Sie sind neu, sie sind fremd, sie waren früher nicht da, als alles vermeintlich einfacher war. Es ist ein rassistisches Narrativ, das Rechtspopulist:innen in ganz Europa für sich nutzen. Schlichte Erzählungen setzen sich durch. Sie schlagen Fakten.
Wenn wir die Weihnachtsgeschichte hören, gedenken wir einer Familie, die unfreiwillig in die Fremde aufbrechen musste, der aber im Stall auch viel Gutes geschah. Weil andere Menschen es möglich machten. Denn die Welt muss ja nicht noch dunkler werden, als sie es sowieso schon ist.
0 Kommentare
Zu diesem Artikel wurden noch keine Kommentare verfasst. Schreiben Sie doch den ersten.