"Wir sind unzerstörbar zerbrechlich."
Warum sind Sie Pfarrer geworden?
Albrecht: Ich komme aus einer Arztfamilie – Mutter, Vater, Bruder, Cousine, Schwager – alles Ärztinnen und Ärzte. Und meine Großmutter, eine schwäbische Pietistin fand, dass es jetzt genug für den Leib sei und wir auch jemanden für die Seele in der Familie brauchen. Nein, im Ernst, das war zwar durchaus so und auch gewiss ein Impuls, aber ich hatte vor allem eine sehr schöne und prägende Zeit, auch als Konfirmand in meiner Heimatgemeinde, der Friedenskirchengemeinde in Offenbach. Das hat mich für diesen Beruf begeistert.
Aktuell schon Gottesdienste ja oder nein?
Albrecht: Ganz ehrlich? Die Kirche hatte doch bereits vor Corona eine handfeste Krise und schwindende Mitglieder und Gottesdienstbesucher. Ich verstehe das vorschnelle Wiedereinführen des sonntäglichen räumlichen Gottesdienst nicht. Gerade räumliche Bedingungen, wie etwa an Eingängen und Aufgängen stellen Engstellen dar, die zur Zeit einfach ein Risiko für vor allem ältere Menschen sind, das muss nicht sein. Und wenn ich dann sehe, wie vermumte Menschen ohne Kontakt untereinander Gottesdienst ohne Gesang feiern, hat das was verkrampftes.
Ist Corona auch gut für die Kirche?
Albrecht: Zuerst: Natürlich ist Covid19 eine furchtbare Sache und ich will sie nicht schön reden, aber ich habe doch die Hoffnung, dass wir als Kirche und für die Sache Gottes ein paar ganz wichtige Dinge lernen und mitnehmen können, die aus meiner Sicht überfällig waren. Zum Beispiel findet der überwiegende Teil der bei uns tätigen Pfarrerinnen und Pfarrer tolle Alternativen und Formate zum sonntäglichen Gottesdienst in der Kirche. Aus der Corona-Not heraus haben wir Wege gefunden, an den Menschen und ihren Fragen dran zu sein, Antworten und Begleitung auf unterschiedlichsten Kanälen zu geben. Ob durch Einwurfflyer mit Anregungen zu 5-Minuten-Andachten zum Tagesstart, die jeder selbst für sich zu Hause gestalten kann, oder Film-Gottesdienste inmitten einer echten Schafherde oder Aktionen wie „Zuversicht mit Fisch“, wo es um mit dem Christensymbol bemalte Steine im öffentlichen Raum geht. Es wäre töricht, Möglichkeiten, Erkentnisse und gelingende kreative Ansätze aus der Coronazeit künftig nicht weiter zu nutzen.
Herr Albrecht, woran glauben Sie fest?
Albrecht: Ich erlebe das Leben als so wunderbar und gleichzeitig so bedroht, wir alle sind darum unzerstörbar verletzlich. Und in all der Wüste und Leere unseres Daseins schafft Gott immer wieder einen kleinen Schutzraum und Möglichkeiten für das Gute und Richtige, das Heile. Und ich glaube tatsächlich, dass am Ende immer die Liebe und Solidarität sich gegenüber der Gewalt und dem Hass durchsetzen.
Sie sind sehr fit – wie machen Sie das?
Albrecht: Ich spiele seit 50 Jahren Wasserball. Das Zusammensein mit den Sportfreunden und die gemeinsamen Fahrten sind eine große Kontinuität in meinem Leben und auch ein großes Korrektiv, das mich doch ab und zu daran hindert, floskelhaft zu werden.