Zugespielt ... - Kolleginnen und Kollegen im Porträt

"Wenn nötig, packen alle mit an"

Birgitt Harrant arbeitet seit über 40 Jahren bei der evangelischen Kirche. Seit 13 Jahren ist sie in der Verwaltung des Evangelischen Vereins für Jugendsozialarbeit in Frankfurt am Main tätig.

Foto: Rolf Oeser
Foto: Rolf Oeser

Wie kamen Sie zum ERV?

Harrant: Ich arbeitete als Sachbearbeiterin im Versorgungsamt, als ich eine Anzeige vom ERV las. Sie suchten jemanden für Veranstaltungen und Büro. Ich war aber zu jung mit 21 und wurde abgelehnt. Dann aber rief mich der damalige stellvertretende Leiter der Verwaltung an, er habe etwas anderes für mich. Er hielt mir den dicken ERV-Haushaltsplan hin und fragte „Trauen Sie sich das zu?“ Ich sagte „Ja“ und hatte keinerlei Ahnung. Ich befand mich plötzlich in der Welt der Finanzen und Zahlen und merkte glücklicherweise, das liegt mir.

Was ist heute besser als früher?

Harrant: Die Bedingungen für Frauen in Sachen Aus- und Weiterbildung haben sich deutlich verbessert, außerdem die technischen Möglichkeiten und die Digitalisierung. Das finde ich persönlich super. Früher musste in der ERV-Verwaltung jeder Brief mit der Schreibmaschine mit Hilfe von Kohlepapier auf drei Durchschläge geschrieben werden. Und es galt die Regel: Bei mehr als drei Tippfehlern wird der Brief neu geschrieben. Statt PCs hatten wir Bleistifte, Radierer und Papier. Alles musste handschriftlich gerechnet werden, nur ein einziger Fehler war fatal.

Und wie ist ihr Verhältnis zu Geld?

Harrant: Allgemein bin ich schon sparsam, und es gab ja auch viele Jahre als Familie, wo es enger war als heute. Meine Kinder sind nun groß. Mein Mann und ich haben ein gemeinsames Hobby entdeckt und dafür gebe ich in gewissen Grenzen auch gerne Geld aus. Wir sind Autoliebhaber. Ich liebe es, in unserem BMW M2 zu fahren. Es ist ein Coupé, dreitürig. Ich liebe es, damit an unseren Lieblingsort nach Büsum zu fahren oder Ausflüge in den Taunus zu unternehmen.

Weshalb wechselten Sie zum Verein?

Harrant: Ich wollte mich noch mal verändern und freute mich darauf, in einer kleineren Verwaltung zu arbeiten. Man hat mehr Kontakt zu Kolleg:innen auch aus den Einrichtungen und sogar mit Jugendlichen. Es macht mir großen Spaß, dort zu arbeiten und ich finde die Arbeit, die dort geleistet wird, sinn- und wertvoll. Wenn es nötig ist, packen alle zusammen an. Zum Beispiel als wir einmal in 48 Stunden für unbegleitete minderjährige Geflüchtete ein Zuhause auf die Beine stellen mussten.

Wie lief das ab?

Harrant: Als 2015 minderjährige Flüchtlinge auch nach Frankfurt kamen, brauchten diese Kinder und Jugendlichen sofort eine Unterkunft. Die Stadt mietete ein leerstehendes Hotel an und der Verein richtete Räumlichkeiten in Jugendhäusern ein. Für die Organisation hatten wir 48 Stunden. Alle packten mit an. Ob Mitarbeiter:innen der Einrichtungen oder aus der Verwaltung des Vereins. Wir kauften Betten und Schränke, Kleidung - eben alles, was gebraucht wurde.

Was wünschen Sie sich am allermeisten?

Harrant: Dass der Verein für Jugendsozialarbeit noch viel mehr Sponsoren findet. Das Geld der Zuschussgeber reicht nicht aus, um den tatsächlichen Bedarf für die Kinder und Jugendlichen in dieser Stadt und nun ja auch in Offenbach abzudecken.

Was ist Ihr Ding?

Harrant: Mein Ding ist meine Familie. Für meine Familie und mich ist es das Wichtigste, dass wir uns einig werden. Meinen Mann habe ich auch im Verband kennengelernt. Das war mein größtes Glück. Wir hatten gerade 35. Hochzeitstag. Ich würde ihn sofort wieder heiraten.


Autorin

Sandra Hoffmann-Grötsch ist Journalistin in der Öffentlichkeitsarbeit der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach.