Zugespielt ... - Kolleginnen und Kollegen im Porträt

Ich wwoofe gerne!

Johanna Plückhahn arbeitet seit November 2022 als Sozialarbeiterin im „Haus des Jugendrechts“ in Höchst beim „Täter-Opfer-Ausgleich“, einer Einrichtung des Fachbereichs Beratung, Bildung, Jugend des ERV.

Johanna Plückhahn / Foto: Rolf Oeser
Johanna Plückhahn / Foto: Rolf Oeser

Was bedeutet Täter-Opfer-Ausgleich?

Plückhahn: Eine Möglichkeit, sich außergerichtlich zu einigen, um eine Anklage vor Gericht und eine Strafe durch die Justiz zu vermeiden. Beide Parteien können so das Geschehene aufarbeiten. Das muss nicht zwingend im persönlichen Kontakt sein, auch schriftlicher oder indirekter Austausch über die Mediatorin ist möglich. Manchmal geht es um eine Entschuldigung und Wiedergutmachung in Form von Schmerzensgeld oder anderem. Manchmal darum, dass jemand erklärt, warum er oder sie diese oder jene Tat begangen hat. Das greift bei Jugendlichen den Erziehungsgedanken auf.

Finden Sie Strafe nicht sinnvoll?

Plückhahn: Das kommt auf den Einzelfall an. Grundsätzlich finde ich, dass es wichtiger ist, aus seinen Fehlern lernen zu können und Verantwortung für das, was man getan hat, zu übernehmen, sich auseinanderzusetzen mit dem Gegenüber, aber auch mit sich selbst. Das kann sehr viel anstrengender und schmerzvoller sein, als bestraft zu werden.

Woher kommen Ihre Fälle?

Plückhahn: Im „Haus des Jugendrechts“ in Höchst sind wir in engem Kontakt mit den Vertreter:innen der Staatsanwaltschaft, die auch im Haus vernetzt sind. Nicht immer und überall ist der Täter-Opfer-Ausgleich den Jurist:innen bekannt. Grundsätzlich können Richter:innen und Staatsanwält:innen die straffällig gewordenen Jugendlichen und auch Erwachsene an uns verweisen. Die Teilnahme jedoch bleibt für alle Beteiligten freiwillig. Es gibt auch sogenannte „Selbstmelder“. Jeder kann sich an uns wenden, auch zum Beispiel Mitarbeiter:innen aus Einrichtungen oder Kirchengemeinden, die jemanden oder einen Fall kennen, wo der Täter-Opfer-Ausgleich sinnvoll wäre. Einfach den Kontakt vermitteln und wir kümmern uns um alles andere.

Warum arbeiten Sie in dem Bereich?

Plückhahn: Gesellschaftliche Randgruppen und das Konzept der Strafe haben mich schon immer interessiert. Meinen Master habe ich in Kriminologie und Gewaltforschung gemacht. Während des Anerkennungsjahres habe ich bei der Bewährungshilfe gearbeitet. Mich hat seit jeher interessiert, warum Menschen straffällig oder kriminell werden. Ich möchte wissen, welchen Weg sie gingen, was sie ausmacht, was ihre Sicht der Dinge ist. Ich sehe immer den Menschen, nicht den Täter. Das ist meine Grundhaltung. Ich glaube an das Gute in jedem Menschen.

Wie verarbeiten Sie Ihre Fälle?

Plückhahn: Ich nehme nie etwas mit nach Hause. Ich sorge auch für Ausgleich, indem ich viel Sport mache – zum Beispiel Yoga, Fitnessstudio, Meditation. Kürzlich habe ich auch noch mit Jiu-Jitsu angefangen. So oft es geht, verbinde ich mich mit der Natur. Das ist mir sehr wichtig.

Was macht Sie noch glücklich?

Plückhahn: Ich liebe es zu wwoofen. Das ist die Abkürzung für „Worldwide Opportunities on Organic Farms“. Ich arbeite während meines Jahresurlaubs auf ökologischen Bauernhöfen oder Farmen. Dafür wohne und esse ich dort kostenlos. Man arbeitet an fünf Tagen jeweils höchstens sechs Stunden, der Rest ist zur freien Verfügung. Man lebt dort in einer Gemeinschaft, lernt viel über ökologischen Landbau und es ist einfach für mich persönlich die schönste Art zu reisen. Im vergangenen Jahr war ich auf einer Pferdefarm in Norwegen, nähe Polarkreis, und für dieses Jahr habe ich mir Schottland vorgenommen.

Was würden Sie mit geschenkter Zeit tun?

Plückhahn: Ich würde wieder mehr schreiben. Mit zwölf habe ich damit angefangen, manchmal ein ganzes Wochenende lang, auch richtige Geschichten. Ich liebe es zu formulieren und meine Gedanken aufzuschreiben. 


Autorin

Sandra Hoffmann-Grötsch ist Journalistin in der Öffentlichkeitsarbeit der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach.