Neulich ... - Die Kolumnen aus EFOI

Haben Sie Parkinson?

Neulich in der Kneipe

Ralf Bräuer ist Leiter der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung-König
Ralf Bräuer ist Leiter der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Tamara Jung-König

Nein, ich meine nicht die schlimme Krankheit! Vielmehr das „Parkinsonsche Gesetz“, mit dem der britische Historiker Cyril Northcote Parkinson in den 1950er Jahren die bürokratische Ineffizienz ironisch beschrieben hat. Aber der Reihe nach: Ich saß neulich mit einem Freund in der Kneipe. Er arbeitet als Sozialarbeiter in einer Jugendhilfeeinrichtung. Er erzählte entnervt über die Dienstbesprechung mit seinen Kolleg:innen, die donnerstags stattfindet. Ganztägig! Also über die satte Distanz von acht Arbeitsstunden. Viel Gerede, und wenig kommt dabei raus, so sein Resümee. Nach 30 Minuten hörte er auf zu jammern und schloss mit dem Satz: „Die haben doch echt alle Parkinson!“ Nun, Sie wissen ja bereits, dass er nicht die nach dem Arzt James Parkinson benannte Krankheit meinte, sondern das Parkinsonsche Gesetz des Historikers Parkinson. Und dann wurde unser Gespräch interessant und unterhaltsam. Mein Freund zitierte einige Thesen und wandte sie auf sein Team an. Die erste These: In Sitzungen werden nicht die wichtigsten Themen am ausführlichsten besprochen, sondern die, von denen die Teilnehmer:innen am meisten Ahnung haben. „Statt uns Zeit zu nehmen, um zu diskutieren, wie wir notwendige Einsparungen umsetzen können, debattieren wir lieber stundenlang über „Bio-Kaffee ja oder nein?“, warum der Schreibtisch im Büro ständig unordentlich ist, ob das Klopapier von Aldi nicht doch besser ist ... Die Redezeit ist umgekehrt proportional zur Wichtigkeit oder Dringlichkeit von Themen“, erzählte mein Freund in Beweisführung. Und auch hier habe Parkinson Recht: Hat ein Kollege für den Vormittag auf seiner To-Do-Liste, in der Einrichtung mit einem Jugendlichen den Kleiderschrank aufzuräumen, dann dauere das auch den ganzen Vormittag, obwohl dafür zwei Stunden reichen würden. „Arbeit dehnt sich in genau dem Maß aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht“, habe Parkinson richtig beobachtet. Das Maß der Ausdehnung bemesse sich nicht an der Komplexität der Aufgabe. Diese These habe, so ging das Referat meines Freundes weiter, zur Folge: Da man durch die Zeitausdehnung häufig andere Arbeiten nicht schaffe, brauche man Kolleg:innen, die das, was liegen bleibt, erledigen. „Jeder Angestellte wünscht, die Zahl seiner Untergebenen, nicht jedoch die Zahl seiner Rivalen zu vergrößern“, habe Parkinson das genannt. Wer seine Arbeit nicht schafft, werde seine Aufgaben auf keinen Fall mit einem anderen Kollegen teilen, denn dieser könnte sich als Rivale entpuppen. „Du glaubst gar nicht, wie ‚beliebt‘ bei uns die Praktikant:innen sind“, sagte mein Freund mit einem übertriebenen Augenzwinkern.

Ich zwinkerte zurück und sagte: „Wie gut, dass wir nicht so sind wie die anderen!“


Verfasst von

Ralf Bräuer 44 Artikel

Ralf Bräuer ist Leiter der Redaktion von "Evangelisches Frankfurt und Offenbach" und der Öffentlichkeitsarbeit der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach