Mehr Gott und weniger Machen
Munteres Getuschel zum Auftakt in der Frankfurter Dornbuschkirche – offenkundig, man hat sich was zu sagen, – Premierenatmosphäre liegt in der Luft: Erstmals trafen sich Ende April die Verkündigungsteams der zehn Nachbarschaftsräume des Evangelischen Stadtdekanats Frankfurt und Offenbach: Pfarrer, Pfarrerinnen, die Hauptamtlichen der Kirchenmusik, des Gemeindepädagogischen Dienstes beider Städte. Was bislang Pfarrkonvent war, ist jetzt eine erweiterte Runde, Dienstkonferenz benannt. Vollbesetzt der Kirchraum, kräftiger Gesang, alles Profis.
Nach der Andacht Wechsel in den Gemeindesaal, bei diesem Treffen geht es laut Programm nicht um Stellenpläne, Gebäude, Finanzfragen, sondern um Grundsätzliches. Die Frage, was bedeutet eigentlich Verkündigung? bestimmt die Agenda. Der Propst für Rhein-Main Oliver Albrecht, unter anderem zuständig für Frankfurt und Offenbach, ist zu Gast an dem Vormittag, er spricht über die „Theologie einer kleiner werdenden Kirche“.
Nach Ansicht von Albrecht geht es darum, nicht so sehr über das kleiner werden zu hadern, sondern zu überlegen, „was Gott da eigentlich gerade mit uns macht?“. Die bisherigen Diskussionen seien zu stark von der Frage geprägt, „was wir jetzt am besten machen sollen“. Die anglikanische Kirche, sei der hiesigen in Krise und Lösungen zehn Jahre voraus, ihren Vordenker Bischof John Finney zitierte Albrecht mit dem Satz: „Wir müssen die Platzanweisung Gottes annehmen.“ Doch was heißt das, darüber redet Albrecht in seinem Vortrag.
In Anlehnung an eine Vorlesung des Theologen Karl Barth, kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Bonn gehalten, äußert Albrecht, „Denn was soll Welt anders sein als säkular?“ Das sei kein Grund zu trauern. Die Trennung von Welt und Kirche, wie sie der in Basel geborene und in Bonn lehrende Theologe propagiert habe, löse Fesseln, „für die Kirche beginnt eine neue Zeit der Freiheit, wenn sie sich nicht mehr staatstragend gebärden muss“. Zugleich, so Albrecht, sei zu berücksichtigen, dass kirchliche und diakonische Arbeit, „gerade wenn wir sie gutmachen!“ Bündnisse und Verträge mit anderen und eben auch mit dem Staat brauchen.
In verschiedene Phasen gliederte Oliver Albrecht den anstehenden Veränderungsprozess. Phase eins: „Zeit der Gerechtigkeit“. Da geht es um Prozentzahlen, Reduktionen, Planstellen. Der Propst warnt davor, vorgeschobene theologische Argumente „in einen Wettkampf der Wertigkeit kirchlicher Arbeitsfelder“ einzuführen. „Dinge lassen“ und nicht schönreden oder dekorativ verbrämen, gelte es. Phase zwei, in der die Reduktionen deutlich werden, bezeichnete Albrecht als die „Zeit der Schmerzen“. Biographisches und Theologisches verschränke sich bei den fälligen Beschlüssen.
Bei den Entscheidungen, welche Handlungsfelder aufgegeben werden, gebe es das demokratische, das synodale Verfahren. Dass in den Kirchenparlamenten Lobbyisten, gut Vernetzte, versuchen, die Richtung zu steuern, sei im Auge zu behalten. Der betriebswirtschaftliche Ansatz berge die Gefahr, dass wichtige Arbeitsfelder entfallen. Es gebe theologisch betrachtet eine Ratlosigkeit in Sachen Entscheiden, räumte Albrecht ein.
Hoffnung macht ihm: „Kirche gerät aus dem Häuschen“, etwa bei Taufesten oder Spontanhochzeiten. Die Idee der Wanderprediger brachte er ins Spiel, Mut machen ihm junge Kolleginnen und Kollegen, die sich aufmachen im Sinne einer transformierten, veränderten Kirche. Ein Erprobungsgesetz werde in vakanten Flächen zum Ausprobieren einladen, bei dem Neues „gelingen und scheitern darf“.
Wie das Wesen der Kirche aussehen kann, wohin es gehen soll, diskutierten die Anwesenden nach dem Vortrag des Propstes in Kleingruppen. Professionen, Städte, Kirchengemeinden, respektive Nachbarschaftsräume, bunt gemischt, entspann sich der Austausch untereinander. Fortsetzungen folgen, bei Dienstkonferenzen und vielen anderen Gelegenheiten.