Geborgenheit und Trost bis zum Ende
Nehmen Sie für Ihren Artikel bloß kein Bild mit gefalteten Händen“, ruft die Geschäftsführerin des Evangelischen Hospizes, Dagmar Müller, aus ihrem Büro bei meinem Besuch. Pfarrer Peter Meier-Röhm lacht, ja keine Klischees, sondern persönliche Zuwendung auf dem letzten Lebensabschnitt ist Grundsatz im evangelischen Hospiz in Frankfurt mit zwölf Plätzen. Diese Art von Fürsorge zeigt sich auch in Kleinigkeiten. Eine Hauswirtschafterin stellt Maggi, Tabasco und eine Flasche Bier auf den Platz eines Patienten zum Mittagessen: „Der mag das so.“ Er kommt regelmäßig in den Wohntreff, der auch als Speiseraum dient. Nur wenige machen von dieser Möglichkeit Gebrauch. Die meisten im Haus haben noch ein paar Wochen zu leben. Alle sind im Einzelzimmer mit Balkon untergebracht, das sie selbst ausgestalten können. Der Blick durch die großen Fenster fällt auf hohe Bäume. Eine gute Lage in der Frankfurter Innenstadt, bis zur Konstablerwache sind es ein paar hundert Meter. Peter Meier-Röhm unternimmt an Markttagen gelegentlich Ausflüge mit Patienten dorthin. Oft schiebt er dabei jemandem im Rollstuhl. „Ein frisches Fischbrötchen essen oder sich leckeres Obst vom Bio-Stand mitbringen lassen“, können erfüllbare Sehnsüchte der Patient:innen sein. Im Mittelpunkt seelsorgerischer Gespräche im Hospiz stehen Persönlichkeit, Biographie und vor allem die aktuellen Bedürfnisse der Patient:innen. „Was haben sie erlebt?“, „Was ist in Erfüllung gegangen, was noch offengeblieben, was brauchen sie heute?“ sind Fragen des Hospizpfarrers. Die Patienten und Patientinnen bestimmen die Themen. Bei etwa 95 Prozent der im Hospiz aufgenommenen Menschen ist eine Krebserkrankung als unheilbar diagnostiziert. Sie sind medizinisch betrachtet „austherapiert“; keine Chance auf Genesung. Eine begrenzte Lebenszeit und Symptome wie Schmerzen, Luftnot, Angst oder Übelkeit ist Voraussetzung, um aufgenommen zu werden.
Wenn Meier-Röhm die Patient:innen im Zimmer besucht, klärt er immer zuerst, ob er willkommen ist und es jetzt gerade passt. Angehörigen gibt er seine Visitenkarte oft als „Gutschein“, um ihn jederzeit anzurufen. Das meint er genauso. Jederzeit. Gespräche mit Angehörigen führt er oft in der geschützten Atmosphäre seines Büros. „Beratung und Seelsorge“, manchmal auch in der kleinen Kapelle nebenan. Dort steht auch eine kleine Orgel. Hier feiert die Hospizgemeinde regelmäßig Gottesdienste. An Heiligabend findet hier auch der Weihnachtsgottesdienst statt. „Da spielt der hochgeschätzte Professor Martin Lücker aus der Frankfurter Sankt Katharinengemeinde Musik von Bach für die Patientinnen und Patienten. Darauf freuen sich alle sehr“, erzählt Meier-Röhm. Manchmal feiert der Pfarrer auch Abendmahl mit Patient:innen und Familie im Zimmer. Gerne betet er mit den Menschen, singt ein Wunschlied und spricht Gottes Segen zu.
Die meiste Zeit des Tages ist er im Haus unterwegs. Manche winken auch sofort ab, wenn er sich als Pfarrer vorstellt. „Um Gottes willen, bloß nicht“ oder „Ich bin nicht religiös und war seit 25 Jahren in keiner Kirche“, auch an solche Begrüßungen erinnert sich Meier-Röhm. Trotzdem sei später ein herzlicher Kontakt zustande gekommen, weil er „die Menschen respektiert, wie sie sind“. Das sei die wichtigste Voraussetzung, um vertrauensvoll über „die letzten Dinge“ und erfüllbare Wünsche auf dem letzten Stück des Lebensweges zu sprechen.
Ein Patient lädt uns in sein Zimmer ein. Er erzählt offen und vertrauensvoll von der Tochter, die im Ausland lebt, dem Sohn in der bayrischen Heimat. Auf den Regalen stehen Fotos der Familie und eine Menge sehr persönlicher Dinge. Stolz berichtet er von seiner früheren Arbeit. Wie er sich als Hausmeister um die Anliegen der Menschen gekümmert hat. Viele Jahre hat er sich in seiner evangelischen Kirchengemeinde für Menschen ohne festen Wohnsitz ehrenamtlich engagiert. Dafür sogar seinen Urlaub zur Verfügung stellt. Er ist spürbar zufrieden mit seinem Leben und sehr dankbar für den Platz im Hospiz. „Sogar mit Blick auf den Dom vom Raucherbalkon“, merkt er schmunzelnd an.
Peter Meier-Röhm ist der Seelsorge seit seinem Studienbeginn 1986 verbunden und hat sich immer wieder in diesem Bereich fortgebildet, zuletzt 2019 mit einer Zusatzqualifikation „Palliative Care“. Eine halbe Pfarrstelle hat er derzeit im Hospiz inne, mit der anderen halben Stelle ist er für Altenseelsorge im Dekanat Dreieich-Rodgau angestellt.
Den Tätigkeiten von Pflegekräften und Hauswirtschafterinnen, Ehrenamtlichen und Verantwortlichen begegnet er mit allergrößter Wertschätzung: „Hier herrscht ein achtsamer und engagierter Teamgeist“, sagt er mit leuchtenden Augen. „Die christlichen Klassiker Glaube, Hoffnung, Liebe sind hier lebendig. Oft sind es sogar unsere Patienten und Patientinnen, die uns darin unterweisen. Das berührt mich und die Kollegen und Kolleginnen immer wieder zutiefst.“
Das bestätigt Geschäftsführerin Dagmar Müller: „Wir alle im Team lassen Menschen in einer schwierigen Situation den diakonischen Auftrag von Kirche spüren. Durch unsere Zuwendung erfahren sie Geborgenheit und Trost bis zum Ende des Lebens.“