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Beziehungsweise Pflege

Im Auftrag der evangelischen Kirche arbeiten bundesweit 120 000 Fachkräfte in der Pflege. Sie helfen den Patient:innen, möglichst lange mobil, selbstständig und in Würde zu altern. Dafür bedarf es auch Zeit für Beziehungs­momente, mutmachende Ansprache, Empathie und ein offenes Ohr.

Rund 200 Mitarbeiter:innen arbeiten im Bereich der Pflege in der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach. / Foto: Diakonie
Rund 200 Mitarbeiter:innen arbeiten im Bereich der Pflege in der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach. / Foto: Diakonie

Für Tanja Henrich beginnt der Arbeitstag morgens um sieben. Täglich steigt sie um diese Uhrzeit in ihren Opel Corsa der Diakonie-Station Offenbach und fährt in ihrem Einsatzgebiet­ Offenbach-Bürgel zu den Häusern und Wohnungen ­ihrer Patient:innen. Zehn bis 13 Namen stehen in der Regel auf ihrer Liste. Die meisten sind in den 90ern. Dort angekommen misst sie beispielsweise Zuckerwerte und spritzt Insulin, versorgt Wunden, hilft aufzustehen, in Bewegung zu kommen, beim Waschen und Anziehen. Sicherheit und Zuversicht zu vermitteln, Mut zu machen und auch immer wieder anzuspornen und zu motivieren, sei dabei das A und O. Wichtig sei es auch, mal zuzuhören oder ein mitfühlendes Wort zu sprechen, den Menschen zu sehen, nicht nur Patient:innen, so Henrich. „Bezugspflege“ nennt sich das im Fachjargon und ist bei Weitem nicht mehr selbstverständlich im Pflegealltag und im Spannungsverhältnis der Wirtschaftlichkeit und der Ressourcen. Die Haltung der evangelischen Kirche und der dazu gehörigen Diakoniestationen ist da eindeutig.

„Die Pflege von älteren Menschen ist eine ureigene Aufgabe der Diakonie. Es ist unser Anliegen, dass Menschen in Würde altern können und so gut wie möglich versorgt werden“, sagt Markus Eisele, Theologischer Geschäftsführer des ERV.

„Aus diesem Grund arbeitet auch jeder fünfte der bundesweit rund 600 000 Mitarbeitenden der Diakonie in diesem Bereich“, sagt Eisele. Im Auftrag der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach arbeiten rund 200 Pflegekräfte in den stationären Einrichtungen, dem Betreuten Wohnen, dem ambulanten Pflegedienst und in der Mobilen Kinderkrankenpflege.

Wenn ich abends nach Hause gehe, weiß ich: mehr ging nicht.

Nicht der Regelfall, aber durchaus in der Praxis regelmäßig notwendig, sind auch Arbeitstage, die Früh- und Spätschicht für Pflegekräfte beinhalten, sprich von 7 bis 20 Uhr dauern können. „Und zwar immer dann, wenn Notfälle dazu kommen“, erklärt Henrich. „Aber wenn ich abends aus der letzten Haustür raus gehe, weiß ich: Ich habe alles getan, was möglich war, um zu helfen. Mehr ging nicht. Deswegen kann ich auch gut loslassen und nehme keine Sorgen und Probleme der Arbeit mit nach Hause“, so Tanja Henrich weiter. Seit rund 20 Jahren arbeitet sie in der Altenpflege. Zusätzlich betreute sie jahrelang auch ihre eigene Mutter, die an Demenz erkrankt war und mittlerweile verstorben ist. Tanja Henrich kennt das Thema Pflege aus beiden Perspektiven, weiß um die Anforderungen und die Hürden. Mit ganzem Herzen und Engagement erledigt sie ihren Job im ambulanten Pflegedienst der Diakoniestationen Offenbach und wurde dafür auch kürzlich mit dem Empathie-Award der AOK-Hessen ausgezeichnet. Das weiß Henrich zu schätzen. Dass sie ihren Beruf so liebt, habe aber auch viel mit der Wertschätzung durch den Arbeitgeber, dem guten und unterstützenden Miteinander im Team und nicht zuletzt der Dankbarkeit und Herzlichkeit der Patient:innen zu tun. Für sie als Pflegefachkraft ist es ein Hauptanliegen, dass ihre Patient:innen möglichst lange mobil sind oder wieder werden, dass sie möglichst selbstständig die täglichen Aufgaben des Haushalts oder der eigenen Grundversorgung verrichten können. Doch das habe viel mit der Vertrauensbasis, dem Verhältnis zwischen Pfleger:in und Patien:tin zu tun. „Die Blockade sitzt auch häufig im Kopf.

Die Menschen trauen sich nichts mehr zu, haben Angst“, sagt Henrich. Es erfülle sie daher mit Dankbarkeit und Freude, wenn sie beispielswiese jemandem, der bettlägerig war, wieder auf die Beine zum Laufen habe verhelfen können. Gott sei Dank habe die kirchliche Pflege ihre Werte erhalten können. Diese auch in Zeiten steigender Preise, Energiekosten und des Fachkräftemangels immer wieder zu gewährleisten, ist ein festes Ziel der kirchlichen Pflege. Damit die Pfleger:innen der Diakoniestationen Offenbach ein paar Minuten mehr Zeit während des Tages für die pflegebedürftigen Menschen, die sie betreuen, zur Verfügung haben und nicht nur der gesetzlichen Abrechnungsvorschrift im Minutentakt folgen müssen, finanziert der Förderverein „Zeit für Diakonie“ zusätzliche Minuten für den ambulanten Pflegedienst der evangelischen Kirche. Durch sein Engagement wird vieles möglich, was sich Patient:innen sowie Pflegekräfte wünschen. Und Markus Eisele sieht auch Grund zu Optimismus: „Jenseits aller Klischees habe es im Pflegeberuf in den vergangenen Jahren eine ungeheure Professionalisierung gegeben“, berichtet er. „Zugleich erleben ihn viele in der Pflege Beschäftigte als sehr befriedigend, weil sie von den Betreuten so viel an Menschlichkeit zurückbekommen. Es freut mich, dass der Beruf durch bessere Bezahlung attraktiver geworden ist und insgesamt gesellschaftlich an Ansehen gewonnen hat“, ergänzt Verbandsleiter.

Zugleich dürfe nicht übersehen werden, dass auch weiterhin rund zwei Drittel aller Pflegebedürftigen durch Angehörige gepflegt werden, so Eisele weiter. „Weil wir wissen, wie fordernd diese Pflege sein kann, bieten wir unseren Mitarbeitenden als Arbeitgeberin Pflegetage und andere Entlastungsmöglichkeiten.“ (siehe Infokasten)

Paul Schiebe, der Geschäftsführer der Dia­koniestationen Frankfurt gGmbH, die zu der Evangelischen Gesellschaft zum Betrieb von Wohn-, Alten- und Pflegeheimen gGmbH gehören, sagt dazu auch: „Wir bemühen uns, ehemaligen Mitarbeiter:innen des ERV schnell Plätze in einer unserer eigenen Einrichtungen bei Bedarf anzubieten, beziehungsweise im Falle des ambulanten Bedarfs mit der Versorgung zu beginnen. Dies ist aber aufgrund der begrenzten Plätze oder fehlender Mitarbeiter:innen nicht immer zeitnah möglich.“

ERV-Unterstützung für pflegende Mitarbeiter:innen:

- Beratung rund um die häusliche Pflege sowie Hilfe bei beruflichen und persönlichen Fragen
- Freistellung zur Pflege
- Zusätzliche Arbeitsbefreiungstage
- Kostenbeteiligung an externer Beratung und Coaching in belastenden Lebenssituationen

www.efo-magazin.de/kirche/efoi/wissenswertes/zusatzleistungen/


Autorin

Sandra Hoffmann-Grötsch ist Journalistin in der Öffentlichkeitsarbeit der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach.