100 Tage im Amt – ein Gespräch mit Markus Eisele
Herr Eisele, Sie sind vor 100 Tagen, nämlich zum 1. April, vom Rhein an den Main gewechselt, wie erleben Sie die Unterschiede zwischen Rheinländern und Hessinnen?
Markus Eisele: Mir gefällt beides: Das rheinische Naturell mit seiner Leichtigkeit und die typisch hessische Lebenskunst. Was die Metropolen an Rhein und Main verbindet, ist eine Kultur der Internationalität und Weltoffenheit. Was ich hier in Frankfurt und Offenbach sehr schätze, ist die ausgeprägte Philanthropie und die reiche Stiftungslandschaft. Und natürlich die große Bereitschaft zu ehrenamtlichem Engagement. Ich glaube, viele haben ein Bewusstsein, dass sie etwas weitergeben können und sie möchten füreinander da sein. In der Bibel heißt das Nächstenliebe. Das Zitat „Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gebot Jesu erfüllen“, gefällt mir gut. Es passt auch zu dem, was wir hier tun.
Wo liegen unsere Stärken?
Wir wollen als Evangelischer Regionalverband mit seinen sozial-diakonischen Diensten und der Verwaltung gemeinsam stark sein für Frankfurt und Offenbach. Mir ist es wichtig, dass die Evangelische Kirche und die Diakonie in Frankfurt und Offenbach als zwei Vertrauensmarken wahrgenommen werden, die sich gegenseitig stärken und die ich, gemeinsam mit anderen, stark machen möchte. Natürlich mit Blick auf die Menschen, die unsere Dienste in Anspruch nehmen, aber auch für die, die politische Entscheidungen treffen. Und dann auch für Menschen, die bei uns arbeiten wollen. Frankfurt und Offenbach braucht uns als starkes soziales Unternehmen.
Erste Synergieeffekte durch eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Fachbereichen und der Evangelischen Kirche zeigen sich schon, die Umstrukturierung läuft weiter – wo stehen wir im Moment?
Noch ziemlich am Anfang. Die Zukunft liegt auch in der sozialraumorientierten Verbindung unserer Angebote, indem wir unsere Stärke, nämlich die Nähe zu den Kirchengemeinden, nutzen. Diese Verbindung zwischen unseren sozial-diakonischen Einrichtungen und Diensten und den Gemeinden wollen wir noch mehr in den Fokus rücken, indem wir konsequent in unserer Kommunikation darauf hinweisen, dass wir „Kirche und Diakonie“ sind. Das ist unsere gemeinsame Identität. Gegründet im Auftrag Jesu. Die traditionelle Bezeichnung „Diakonisches Werk für Frankfurt und Offenbach“ wollen wir ersetzen durch die prägnante Marke „Diakonie Frankfurt und Offenbach“. Das ist nur konsequent, weil es allerorten genauso gemacht wurde. Manchmal nehme ich wahr, dass der Begriff „Diakonie“ sehr eng verstanden wird. In der biblischen Tradition aber ist damit vor allem der „Dienst mit und für den Nächsten“ gemeint. Also alles, was Menschen für Menschen im sozialen Sinne tun.
Wie gelingt es denn, Diakonie und Kirche stärker zu vernetzen?
Wer voneinander weiß, kann miteinander kooperieren. Ich wünsche mir, dass die Leute wissen, was „ihre Kirche und ihre sozial-diakonischen Dienste“ alles für die Stadt und ihre Bewohner:innen tun. Darauf können wir schon auch stolz sein. Das ist ein besonderes tragfähiges Netz, auch wenn wir weniger Kirchenmitglieder werden. Auch weiterhin gibt es so viele Möglichkeiten der Partizipation in Kirche und Diakonie, sei es in Glaubensfragen, in sozialen Fragen oder einfach in der Kunst des Lebens.
Wo sehen Sie weitere Aufgaben in nächster Zeit?
Der Betrieb muss erstmal laufen. Die Corona-Pandemie war und ist für uns alle sehr herausfordernd. Der Ukraine-Krieg bringt eine zusätzliche Belastung. Viele sind müde. Wir müssen gut auf uns achten und aufpassen, uns nicht zu überfordern. Das heißt, wir müssen mit Augenmaß vorgehen, gerade weil wir wissen, dass es viele Herausforderungen gibt. Dazu zählt die demografische Entwicklung, die uns betrifft, die Personalgewinnung in Zeiten von Fach- und Arbeitskräftemangel, die Finanzierung durch die öffentliche Hand, all die Sonderbelastungen der vergangenen Zeit. Inhaltlich wird uns in den nächsten Jahren zum Beispiel das Konzept für die 116 evangelischen Kitas beschäftigen oder auch der Ausbau der Ganztagsbetreuung an Grundschulen und natürlich die Arbeit mit Geflüchteten, mit den Wohnungslosen und in den sozial benachteiligten Quartieren. Hier müssen wir uns gut aufstellen, aber auch mit unseren Kräften haushalten, also klar hinschauen und Prioritäten setzen.
Auch die gesellschaftliche Entwicklung ist krisenhaft…
Wer über wenig Einkommen verfügt, den trifft die Teuerung und Explosion der Energiepreise hart. Wir beobachten das aufmerksam. Es kann nicht sein, dass die Ärmsten in der Mitte des Monats nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen. Hier ist der Staat gefordert. Wir tragen das Unsere dazu bei, um die Not auszugleichen. Unsere Aufgaben können wir aber nur gut wahrnehmen, wenn wir mit guten Arbeitsbedingungen gute Mitarbeitende gewinnen und halten. Darauf wollen wir uns noch mehr konzentrieren.
Zur Person:
Markus Eisele, 53, verheiratet, drei erwachsene Kinder, leitet seit 1. April 2022 die drei Fachbereiche des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt und Offenbach und ist Theologischer Geschäftsführer des ERV.