Wie meine Oma wegen dem 9-Euro-Ticket fast nicht nach Frankfurt kam
Meine 83-jährige Oma fährt regelmäßig, einmal im Monat, mit dem Zug von Aschaffenburg zu uns nach Frankfurt. Sie genießt dieses kleine Stück Freiheit und Selbständigkeit, das sie sich bis ins Alter bewahrt hat.
Auch anlässlich des Geburtstages eines meiner Kinder jetzt im August stieg sie wieder in die Hessische Landesbahn, um, wie immer, um kurz nach zwölf am Frankfurter Ostbahnhof anzukommen. Irgendwann klingelte mein Telefon. Am anderen Ende meine völlig aufgelöste Oma. Sie könne nicht in den Zug einsteigen. Die Durchsage brüllt im Hintergrund, dass die HLB keine Passagiere mehr aufnehmen kann – wegen völliger Überlastung.
Wir verhandeln hektisch, dass sie einfach auf den nächsten Zug wartet. Soweit, so gut. Dann wieder ein Anruf. Sie habe es doch in den Zug geschafft, muss aber auf der Treppe sitzen. Um die Stimmung nicht weiter aufzuheizen, verkneife ich mir einen Kommentar zu den offenbar rücksichtlosen Mitfahrenden, die einer alten Frau keinen Platz anbieten.
Mit etwa 20 Minuten Verspätung kommt meine Oma dann am Ostbahnhof an. Als sie aussteigt, mich und mein Kind erblickt, kullern die Tränen. Sie ist völlig aufgelöst, der ganze Stress fällt von ihr ab.
Dass die Bahn mit Ressentiments kämpft, ist unlängst bekannt und oft berechtigt: defekte Toiletten, notorische Verspätungen, übervolle Pendlerverbindungen. Jetzt hat die Bahn eine unzufriedene Kundin mehr. Dass der Passagierzustrom durch das attraktive Entlastungs-Ticket ansteigen würde, war ja vorhersehbar. Wenn die Umsetzung so läuft, dann muss man sich nicht wundern, wenn meine Oma das 9-Euro-Ticket richtig doof findet.
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