Wenn aus der Notlösung Heimat wird
Über das „Zelt in der Wüste“ wird Pfarrerin Anne Kampf am Sonntag, 21. April, in der evangelischen Bethanienkirche am Frankfurter Berg predigen. Das Bild, das im biblischen Psalm 27 formuliert wird von der provisorischen Bleibe – „er bietet mir Schutz in schwerer Zeit und versteckt mich in seinem Zelt“ –, es hat viel mit dem Gotteshaus am Wickenweg zu tun.
Doch es handelt sich bei der Kirche, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen des bundesweiten Notkirchenprogramms, überwiegend aus vorgefertigten Elementen, auch aus Kriegsschutt, entstand, nicht um ein Provisorium, sondern um einen Bau, dessen 75 Jahre währendes Bestehen an dem Wochenende 20. und 21. April mit Konzert, Gottesdienst und Empfang gefeiert wird.
„Die Kirche ist Heimat“, sagt Pfarrerin Anne Kampf. Als sie vor fünf Jahren erstmals den innen von Holz bestimmten Raum betrat, habe sie sich gleich wohlgefühlt. Der bauhistorische Wert hat sich ihr rasch erschlossen, der Raum, in dem Sakrales sich entfalten kann. Längst schon steht der an eine umgedrehte Arche Noah erinnernde Bau unter Denkmalschutz. Die Bethanienkirche gehört zur „Straße der Moderne“ (mehr)
Entworfen hat die Bethanienkirche der Architekt und Theologe Otto Bartning. Ende der vierziger Jahre wurde der Leiter der Bauabteilung des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen in Deutschland mit dem Bau von Notkirchen betraut – finanziert aus Spenden. „Durch das Engagement damaliger Gemeindemitglieder ist es der Bethaniengemeinde gelungen, in dieses Notkirchenprogramm aufgenommen zu werden“, berichtet Heidrun Schmidt. Die Architektin ist engagiertes Mitglied der Bethaniengemeinde, intensiv hat sie sich mit Historie und Substanz des Gebäudes befasst.
Die meisten der insgesamt 43 Notkirchen entsprachen dem Bautyp B mit einem Zeltdach beziehungsweise Satteldach mit geraden Dachträgern. Die Bethanienkirche gehört zum sogenannten Typ A mit gebogenen Dachbindern. „Dieser Typ A wurde außer bei uns nur noch einmal in der Stadt Emden realisiert“ berichtet Schmidt. Gemeinsam ist allen Notkirchen – 41 von ihnen stehen noch –, dass es sich um rechteckige Saalbauten handelt.
Seine Frau habe einst gefremdelt, als sie feststellte, dass der Mittelgang fehlt und damit der im Kino übliche Einzug bei der Hochzeit, erzählt der Kirchenvorstandsvorsitzende Boris Straub. Vergangenes Jahr habe sie mit Freuden mit ihm in der vertrauten Kirche auch die Silberhochzeit gefeiert.
Straub ist Anfang 50. „Mein Vater hat noch mitangepackt“, berichtet er. Damals, zu Bauzeiten, siedelten sich am Frankfurter Berg viele Geflüchtete an. Sie legten selbst mit Hand an, beim Errichten des Eigenheims und eben auch bei dem Kirchbau. Den einen oder die andere gebe es noch, die damals dabei waren, als Kind, als Teenager, sagt Pfarrerin Anne Kampf.
Eine Neunzigjährige wirkt mit an einer Sendung, die der Deutschlandfunk am Sonntag, 21. April, dem Notkirchenjubiläum widmet. 1956 hat sie hier Hochzeit gefeiert, die Glocke habe damals noch nicht geläutet, erzählt Erika Schneider. Der Glockenturm kam erst 1957 hinzu, das Geld war knapp.
Anne Kampf, die vor ihrem Wechsel in den Pfarrberuf als Journalistin arbeitete, hat die Sendung konzipiert. Zu den Mitwirkenden gehört der Singer-Songwriter Joe Bennick. Der Architekt der Kirche war sein Ugroßvater. Intensiv hat der Musiker sich mit ihm befasst. In dem Lied „Truly My Best“ stellt er sich vor, wie der Architekt Otto Bartning in einer seiner Notkirchen sitzt und sein eigenes Werk auf sich wirken lässt. Er sieht einen Zufluchtsort, auch Fehler in dem „Kathedralenraum“ und erlebt einen Ort des Friedens und der Ruhe. „Ich habe mein Bestes gegeben“.
Und das sehen wohl auch viele so.
Das Programm zum Jubiläum der Bethanienkirche
Samstag, 20. April, 19.30 Uhr: Konzert des Singer-Songwriters Joe Bennick, Urenkel von Otto Bartning (Eintritt frei, Spenden willkommen). Joe Bennick hat ein Konzertprogramm zur Aufführung in den Bartning-Notkirchen entwickelt, das den Titel „Bennick trifft Bartning – Raum trifft Musik" trägt.
Sonntag, 21. April, 10 Uhr: Festgottesdienst, anschließend Empfang. An dem Gottesdienst wirken neben Pfarrerin Anne Kampf auch Joe Bennick sowie die Architektin Heidrun Schmidt mit.
Die Sendung „Am Sonntagmorgen“ kommt am Sonntag, 21. April,um 8.35 bis 8.50 Uhr im Deutschlandfunk. Hier werden das Audio und der Text abrufbar sein: https://rundfunk.evangelisch.de/kirche-im-radio/am-sonntagmorgen/am-sonntagmorgen-mit-pfarrerin-anne-kampf-14118