Frankfurter Jugendliche in Ghana: weil Reisen bildet
Eine Partnerschaft lebt vom Kontakt – wie wahr. „30 Jahre Partnerschaft“ feiern die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und die Presbyterian Church of Ghana (PCG) am Pfingstsonntag mit einem Gottesdienst in der Bornheimer Wartburggemeinde. Stadtdekan Achim Knecht konnte im März die Eröffnung des Girls Hostels an der Presbyterian High School in Tamale erleben, kurz zuvor war der im Stadtdekanat für die Ghana-Partnerschaft zuständige Pfarrer Michael Mehl in Westafrika.
„Last but definitely not least“ reisten sechs junge Mitglieder der Dankeskirchengemeinde in diesem Frühjahr in den Norden des Landes, wo sich die Frankfurter Kirche besonders engagiert. Für einige war es nicht der erste Besuch in dem westafrikanischen Staat. Judith Frank, 21, Studentin der Integrativen Heilpädagogik, zählt zu den dreien, die 2016 zu der Delegation aus Frankfurt und Rhein-Main gehörten, die unter der Leitung des Stadtdekans zur Partnerkirche fuhr. „Bei unserer zweiten Reise nach Ghana konnten wir das Land nochmal von einer ganz anderen Seite kennenlernen, vor allem der Austausch mit der ghanaischen Jugend war sehr bereichernd für uns“, blickt sie dieser Tage auf die Reise zurück. Zwischen 17 und 22 Jahre alt sind die Mitglieder der jungen Reisegruppe, die sich 2018 aufgemacht hat nach Afrika: Einer besucht noch die Schule, zwei absolvieren ein freiwilliges soziales Jahr, zwei studieren, einer arbeitet als Mechatroniker.
Nicht nur das Girls Hostel, das mit Hilfe von Spenden von F.A.Z.-Leserinnen und Lesern in Tamale im Norden des Landes für Oberstufenschülerinnen gebaut worden ist, besuchten die Jugendlichen, auch andernorts gab es Termine in Schulen. Vieles war natürlich anders als in der Heimat, angefangen vom Baulichen: In einer Junior High School der Presbyterian Church of Ghana markierten Steine einen Platz unter Bäumen – das Lehrerzimmer. Andererseits gab es in der Schule auch einen Videoraum, in dem der Lehrstoff visualisiert wird.
Über ein Gespräch mit Jugendlichen im Distrikt Salaga, sagen die Goldsteiner: „Es stellte sich heraus, dass viele Herausforderungen ähnlich sind, wie in Deutschland“: Eine Arbeit bekommen, seinen Weg machen. Dass auch hier die Früchte nicht in den Schoß fallen, war schwer verständlich zu machen. Deutschland-Wunderland: „Wir haben versucht, diese Vorstellungen zu schmälern, was sich als schwierig herausstellte“, berichtet die Ghanagruppe. Oftmals kamen Hände und Füße bei der Kommunikation ins Spiel, bei Themen wie diesen überbrückte das schon mal Lücken, wenn Englisch nicht genügte. Auch Gedrucktes, wie ein Jahrbuch des Carl-Schurz-Gymnasiums, Sachsenhausen, half weiter.
Bei anderen Begegnungen konnten eventuelle Kommunikationslücken auf heiter-beschwingte Art gelöst werden: Tanzen und Singen waren für die Reisenden beliebte Vehikel der Kontaktaufnahme. Anschaulich beschrieben die Jugendlichen in ihrem Blog einen Mix an Kommunikation: „In Salaga ging es gleich zu einem Fest, das veranstaltet wurde, um Unterschriften zur Aufspaltung des Distriktes zu sammeln, damit die Region im Nationalparlament besser vertreten wird. Wir tanzten, ließen uns fotografieren und atmeten Staub. Es war ,very impressing’", heißt es da zum Beispiel.
Die Dankeskirchengemeinde pflegt seit langem engen Kontakt zu der PCG. 2014 lebte Ernest Degraft-Amoah, der einen Freiwilligendienst in der Kita des Diakonissenhauses im Frankfurter Nordend leistete, bei einer Familie der Gemeinde. Fortan war die Beziehung zu den ghanaischen Christen bei den Goldsteinern nicht nur eine Erzählung, sondern verknüpft mit sehr konkretem Erleben.
Die jungen Reisenden aus dem Frankfurter Westen haben sich auf das Land unweit des Äquators eingelassen: Yams vom Straßenrand verzehrt, ein Airbagfach wurde für sie eine vernünftige Ablage für Fisch. Sie haben ein ungeheures Bemühen um Bildung erlebt, Neugierde: „Geht ihr auch in die Kirche?“ „Gibt es bei euch Farmen?“ „Wachsen bei euch Bäume?“ waren Fragen. Übers Erzählen kamen sie dazu, über den eigenen Alltag nachzudenken und das Leben vor Ort bewusster wahrzunehmen.
Auch mit der grausamen Vergangenheit des Landes wurden sie konfrontiert: „Zwischen 1792 und 1892 gingen ca. 500.000 Sklaven diesen Pass entlang und waren der „Exportschlager“ der Stadt“, schrieben die Jugendlichen nach dem Besuch des ehemaligen Sklavenmarktes in Salaga. „Im Boden waren Löcher, in denen die Sklaven auf das Wasser warten sollten, um sich zu waschen. Außerdem war es ihnen in den Löchern schwer, zu flüchten.“ In den Süden des Landes wurden manche der Menschen verkauft, andere nach Amerika.
In Anbetracht solcher Eindrücke empfanden die Jugendlichen es bewegend, wie offen die Menschen ihnen entgegentraten, stets auch bereit, den Glauben zu teilen. Beeindruckt hat die Frankfurter Reisenden wie die Religion gelebt wird: Musik, Tanz, keine Scheu sich zu Gott zu bekennen. Kennengelernt haben sie die Glaubensvielfalt des Landes, beispielsweise auch eine Moschee besucht, die Ende des 15. Jahrhunderts errichtet worden war. „Von der Art und Weise, wie in Ghana in einer Familie verschiedene Religionen friedlich und freundschaftlich zusammen leben, können wir uns in Deutschland eine dicke Scheibe abschneiden“ sagt Tabea Frank nach der Rückkehr.
Und sie haben mitgemacht. In dem Ort Damongo, wo vor Jahren mit Mitteln der deutschen Partnerkirche ein Backhaus entstand, nahm die Gruppe an einer „Youth Musical Night“ teil. „Sogar den Tanzwettbewerb haben wir gewonnen. Das jedoch wahrscheinlich mehr aus Höflichkeit, als wegen unseres Talentes“, heißt es da im Blog, das Lachen lässt sich mitlesen.
Und übrigens auch hier erlebten sie den Ausbau der Beziehung: Aktuell wird das Backhaus mit Hilfe von Mitteln des Evangelischen Stadtdekanats mit einem neuen modernen Ofen ausgestattet.