Heinrich Bedford-Strohm erhielt Albert-Schweitzer-Medaille
Schon in der Studienzeit habe ihn Albert Schweitzers „Ehrfurcht vor dem Leben“ angezogen und bewegt, sagte Professor Heinrich Bedford-Strohm, ehemaliger EKD-Ratsvorsitzender und dieser Tage neu gewählter Vorsitzender des Zentralausschusses des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) heute bei der Entgegennahme der Albert-Schweitzer-Medaille 2022 in der Heiliggeistkirche am Frankfurter Dominikanerkloster. Dazu passe, dass gleich im ersten Buch der Bibel steht: „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde“. Der insbesondere für seinen Einsatz für die Seenotrettung geehrte 62 Jahre alte Theologe und bayerische Landesbischof fragte in seiner Dankesrede: Beim Blick in das Gesicht des Gegenübers werde Mitmenschlichkeit offenbar, warum sei das nicht auch selbstverständlich bei „Menschen außerhalb unseres Gesichtsfeldes?“
Dankbar zeigte Bedford-Strohm sich für alle, die nach dem Evangelischen Kirchentag in Dortmund 2019 mit ihm die Idee des Rettungsbootes für Flüchtlinge wahrgemacht haben. „Das war das, was wir in der Reformdiskussion der EKD Agilität nennen“, so der Geehrte. Bedford-Strohm nannte Thies Gundlach, Vorsitzender des Vereins United4Rescue, bis zu seiner Pensionierung 2021 einer der Vizepräsidenten des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), und Michael Schwickart von United4Rescue als zentrale Mitstreiter.
Der 62 Jahre alte Hamburger Schwickart ist seit drei Jahrzehnten als selbständiger Bauträger tätig, von 2015 an hat er sein organisatorisches Know-How vor allem der Seenotrettung gewidmet und ist damit für Bedford-Strohm ein wichtiger Partner geworden. „So schön der heutige Anlass auch ist, umso trauriger und grausamer sind die Hintergründe“, sagte Schwickart. „Menschenverachtend“ nannte Schwickart die Politik Europas hinsichtlich der Flüchtlinge im Mittelmeer. Er forderte dazu auf, die Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache zu stoppen, Deutschland solle sich verpflichten, alle aufzunehmen, die von Schiffen unter deutscher Flagge gerettet werden. Die Politik solle dafür sorgen, dass die Städte und Gemeinden in der Lage sind, diese Geflüchteten aufzunehmen.
Zwei Politikerinnen saßen neben dem Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung, und dem Evangelischen Stadtdekan von Frankfurt und Offenbach, Achim Knecht, in der ersten Reihe der Festveranstaltung: die Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth, Berlin, sowie Frankfurts Sozialdezernentin Elke Voitl. Beide unterstützten ausdrücklich die humanitäre Arbeit Bedford-Strohms.
Staatsministerin Roth: Bedford Strohm ist nah bei den Menschen
„Ich bin ja nicht gerade bekannt als eine, die sonntags in die Kirche geht“, sagte Roth, aber sie freue sich sehr, den Kirchenmann Bedford-Strohm zu ehren. „Eine Kirche, die für die Welt das sein soll, wie Heinrich Bedford-Strohm sie verlangt, muss nah bei den Menschen sein. Heinrich Bedford-Strohm ist es“, so die Bundespolitikerin in ihrer Laudatio. Er erkenne lange vor anderen gesellschaftliche Themen und globale Herausforderungen, das sei beispielsweise auch bei der „Ehe für alle“ so gewesen. Mit Interesse sehe sie „die große Nachdenklichkeit bei der evangelischen Friedensethik“ angesichts des Ukrainekriegs, äußerte die Staatministerin.
Voitl sprach von den Flüchtlingen, die infolge des Krieges im Osten nach Frankfurt kommen, auch da erlebe die Stadt, „wie vermeintlich ferne Krisen uns alle treffen“. Sie warnte jedoch vor einer „Zwei-Klassen-Gesellschaft“, etwa wenn Spender:innen expliziert nur Geflüchtete aus der Ukraine und nicht aus anderen Ländern unterstützen wollten. Gefahren des Rassismus müsse entgegengetreten werden. „Ausgesprochen gerne“ spreche sie anlässlich der Ehrung Bedford-Strohms, sagte die Frankfurter Grünen-Politikerin, er zeige „ehrliches und nachhaltiges Engagement“ gegenüber Geflüchteten.
Das Albert-Schweitzer-Zentrum und die Stiftung Deutsches Albert-Schweitzer-Zentrum zeichneten Bedford-Strohm im Namen des Friedensnobelpreisträgers, Mediziners und Theologen Albert Schweitzer aus. Vielfach war der in Lambarene, Gabun, Tätige in Frankfurt zu Gast, erhielt die Goetheplakette und die Ehrenbürgerwürde. Voitl hob diese Beziehungen zur Stadt Frankfurt hervor.
Kirchenpräsident Jung sprach die enge Verbindung zwischen dem ersten Kirchenpräsidenten der vor 75 Jahren gegründeten EKHN, Martin Niemöller, zu Albert Schweitzer an. Niemöller, im ersten Weltkrieg U-Boot-Offizier, im Dritten Reich im Widerstand gegen Hitler und nach 1945 engagierter Pazifist, wäre gewiss mit Schweitzer ein Förderer der Seenotrettung gewesen, sagte Kirchenpräsident Jung, der Bedford-Strohm in Sachen Seenotrettung in der EKD-internen Debatte unterstützt hatte.
Stadtdekan Achim Knecht, der zusammen mit dem Albert-Schweitzer-Zentrum und der Stiftung zu der Veranstaltung in die Heiliggeistkirche eingeladen hatte, unterstützte ausdrücklich die Haltung der Landeskirche in Sachen Seenotrettung. Er erwähnte, dass auch die Stadt Mittel zu einem Beiboot beigetragen hat. Begrüßen konnte Knecht als Vertreter der Kommune neben Voitl die Stadträte Stefan Majer und Bastian Bergerhoff bei der Preisverleihung.
Übergeben wurde die Medaille von Gottfried Schüz, dem Vorsitzenden der Stiftung Deutsches Albert-Schweitzer-Zentrum, sowie von Roland Wolf, Vorsitzender des Deutschen Hilfsvereins für das Albert-Schweitzer-Spital in Lambarene. Verbunden mit der Verleihung ist die Ausstellung „Grenzenlose Menschlichkeit – man lässt keine Menschen ertrinken. Punkt“.
Sie ist in den kommenden Wochen zu Bürozeiten noch in der Heiliggeistkirche am Dominikanerkloster zu besichtigen und schildert nachdrücklich die Notwendigkeit der Seenotrettung.
Weitere Informationen unter https://albert-schweitzer-heute.de/albert-schweitzer-medaille/