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Auf die Feindesliebe kommt es an - auch wenn es manchmal schwerfällt

Evangelische Kirche Frankfurt lud zum Ökumenischen Pfingstfest ins Herz der Stadt ein

Pfingstgottesdienst der Evangelischen Kirche Frankfurt auf dem Römerberg.
Pfingstgottesdienst der Evangelischen Kirche Frankfurt auf dem Römerberg.

An Martin Luther King und seine Botschaft, gewaltlos Rassengrenzen und andere Formen der Diskriminierung zu überwinden, hat der evangelische Stadtdekan Achim Knecht am Pfingstmontag, 21. Mai 2018, in seiner Predigt auf dem Frankfurter Römerberg erinnert. „Christenmenschen können sich nur gewaltlos gegen das Unrecht in der Welt einsetzen. In der Nachfolge Jesu gilt es, auch dem Gegner, auch dem Feind, mit Respekt und Liebe zu begegnen“, so Knecht in Anlehnung an den vor 50 Jahren, im April 1968, ermordeten amerikanischen Bürgerrechtler und Theologen King.

Der evangelische Stadtdekan predigte zum Auftakt des Ökumenischen Pfingstfestes, das alljährlich im Herzen der Stadt mit verschiedenen christlichen Gemeinden, auch unterschiedlicher Sprachen und Herkunft, begangen wird. Rund 800 Gottesdienstbesucherinnen und –besucher folgten bei sonnigem Wetter der Einladung der Evangelischen Kirche Frankfurt am Main auf den Römerberg, wo am Vortag noch der Gewinn des DFB-Pokals durch die Frankfurter Eintracht bejubelt werden konnte.

Stadtdekan Achim Knecht predigte auf dem Römerberg
Stadtdekan Achim Knecht predigte auf dem Römerberg

„Gottes Geist verbindet Menschen über alle Grenzen und Unterschiede hinweg. Er bewegt Menschen, sich für den Anderen einzusetzen. Der Heilige Geist motiviert Menschen, dem Hass entgegen zu treten. Denn Gottes Liebe geht unter die Haut“, proklamierte Knecht mit Hinweis auf Rassismus und Hass, der sich in den vergangenen Jahren auch in unserer Gesellschaft zeige: „Sei es, dass Juden Gefahr laufen, bedroht zu werden, wenn sie mit einer Kippa auf dem Kopf allein in der Stadt unterwegs sind. Sei es, wenn eine Muslima, die ein Kopftuch trägt, auf der Straße angemacht wird. Oder wenn Menschen mit schwarzer Hautfarbe erleben, dass sie ausgegrenzt werden, dass sie nicht als Deutsche angesehen werden, obwohl sie hier geboren und aufgewachsen sind.“ Abschottung vor den Fremden sei daher nicht der richtige Weg. Rassismus und Hass können nur überwunden werden, wenn Menschen „die Begegnung suchen und einander kennenlernen“, sagte der Stadtdekan.

Das Internationale Fest, zu dem die Evangelische Kirche Frankfurt im Anschluss ins Dominikanerkloster einlud, bot dazu Gelegenheit. Gemeinden aus Afrika, Asien, Amerika und Europa präsentierten den Besucherinnen und Besuchern Kulinarisches und Kulturelles aus aller Welt. Koordiniert wurde dieses Fest von Michael Mehl, Pfarrer im Evangelischen Stadtdekanat für Ökumene und Ghanapartnerschaft.  Er freute sich, dass an diesem Tag auch Gäste aus Ghana mitwirkten – tags zuvor, am Pfingstsonntag, war in der Evangelischen Wartburggemeinde in Bornheim mit dem Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau Volker Jung das 30-jährige Bestehen der Partnerschaft zwischen der EKHN und der Presbyterianischen Kirche in Ghana gefeiert worden.

 

Die Pfingstpredigt von Stadtdekan Achim Knecht im Wortlaut:

Liebe Gemeinde!

Am 4. April 1968, vor 50 Jahren, wurde Dr. Martin Luther King Jr. ermordet. Dr. King war baptistischer Pfarrer, Leitfigur der Bürgerrechtsbewegung in den USA. Er kämpfte gegen den Rassismus und für die Gleichberechtigung der Schwarzen.

Schon Jahre vor seiner Ermordung wurde er dafür angefeindet. Er berichtete von einem Erlebnis, das ihn besonders geprägt hat. Er schreibt: „Nach einem besonders anstrengenden Tag ging ich spät zu Bett. Meine Frau schlief schon und ich wollte gerade eindämmern, als das Telefon läutete. Eine wütende Stimme sagte: „Hör zu, Nigger.! Wir haben genug von dir! Spätestens in einer Woche wird es dir leid tun, dass du jemals nach Montgomery gekommen bist!“

Ich legte auf, aber ich konnte nicht schlafen. Alle meine Angst schien mich auf einmal befallen zu haben. Ich war am Ende meiner Kraft. …

In diesem Augenblick der Erschöpfung beschloss ich, meine Sorgen vor Gott zu bringen. Am Küchentisch stützte ich den Kopf in die Hände und betete laut: „Ich trete für eine Sache ein, die ich für gerecht halte. Aber jetzt fürchte ich mich. … Ich kann allein nicht mehr weiter.“

In diesem Augenblick spürte ich die Gegenwart Gottes wie nie zuvor. Mir war, als hörte ich förmlich die innere Stimme beruhigend versichern: „Kämpfe für Gerechtigkeit und Wahrheit! Gott wird immer an deiner Seite stehen!“ Fast augenblicklich fiel die Furcht von mir ab … Ich war wieder bereit allem entgegen zu treten …“  So weit das Zitat.

Ein Erlebnis, das unter die Haut geht. Dieser Anruf mit drohender Stimme ließ Martin Luther King nicht kalt. Er denkt an seine Frau und seiner Kinder. Kann er ihnen, kann er sich selbst weiterhin den Hass zumuten, der ihm entgegenschlägt? Ist sein Engagement für Gerechtigkeit das wert? Diese hasserfüllte Drohung geht ihm an die Nieren.

In dieser Situation erlebte er etwas Wunderbares: Gottes Liebe berührt ihn. Er spürt Trost in der Stimme, die im Inneren zu ihm spricht. Es ist wie wenn er von jemandem liebevoll umarmt wird.

Diese Erfahrung geht ihm unter die Haut. Sie schenkt ihm neue Kraft. Denn Gott steht ihm bei.

Liebe Gemeinde,

auch das ist eine Erfahrung von Pfingsten. Der Heilige Geist berührt einen verzweifelten Menschen. Gottes Geist tröstet ihn. Er spürt Wärme - trotz Kälte und Hass, die ihm entgegen schlagen. Er spürt frischen Mut trotz lähmender Angst.

Pfingsten - das ist eben nicht nur die grenzenlose Begeisterung, wie sie in der Lesung aus der Apostelgeschichte noch greifbar ist, die wir gerade gehört haben. Dann, wenn Menschen spüren: Das Leben hat mich so reich beschenkt! Ich gehöre dazu! Ich bin angenommen und geliebt! Ich kann über mich hinauswachsen! Ich verstehe mich mit allen!

Pfingsten - das ist eben auch diese tröstliche Erfahrung: Die Verzweiflung hat nicht das letzte Wort! In einer aussichtslosen Situation wird eine neue Perspektive deutlich. Ein bedrohter Mensch fasst neuen Mut. Er kann einer großen Herausforderung die Stirn bieten. Der Heilige Geist hilft, Krisen zu bewältigen. Er schenkt einem Menschen Widerstandsfähigkeit. Denn Gottes Liebe berührt und geht unter die Haut.

Für viele Menschen ist Dr. Martin Luther King jr. bis heute eine Inspiration für ihren Glauben und ihr Handeln. Auch für mich, seit meiner Jugend. Martin Luther King war von Gottes Liebe berührt. Darum konnte und wollte er sich nicht mehr mit der Zurücksetzung und Unterdrückung von Menschen schwarzer Hautfarbe abfinden. Denn Gottes Liebe gilt allen Menschen: Egal welche Farbe ihre Haut hat. Egal welcher Herkunft sie sind. Egal welche Sprache sie sprechen. Egal welche Kultur sie pflegen. Egal welcher Religion sie angehören: Gott liebt jeden Menschen!

Von dieser Erfahrung her konnte er die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft, ihrer Sprache, ihrer Kultur und ihrer Religion nicht mehr akzeptieren. Gottes Liebe zu allen Menschen berührte ihn: Deshalb engagierte er sich nicht nur gegen Rassismus, sondern bald auch gegen soziale Ungerechtigkeit und gegen den Vietnam-Krieg der USA. Auch wenn ihm vor allem der Einsatz gegen den Krieg viele Sympathien kostete.

Gottes Liebe wurde für Martin Luther King an Jesus Christus deutlich, an seinen Worten und Taten, an seinem Leben und Sterben. Deshalb war für ihn ganz klar: Eine Kirche, die dem Geist Jesu verpflichtet ist, muss sich für die Schwachen einsetzen. Sie muss Stimme sein für die, die keine Stimme haben, deren Not überhört und übersehen wird. Denn wer zum Bösen schweigt wird genauso schuldig wie der, der es tut.

Ebenso war für ihn klar: Christenmenschen können sich nur gewaltlos gegen das Unrecht in der Welt einsetzen. In der Nachfolge Jesu gilt es, auch dem Gegner, auch dem Feind mit Respekt und Liebe zu begegnen.

Er sagte dazu: „Kein anderes Gebot Jesu ist wohl so schwer zu befolgen wie der Befehl: „Liebet eure Feinde!“ Manche Menschen halten es für unausführbar. … wie aber könnte man den lieben, der einem offen oder insgeheim schadet? …

Trotz dieser immer wiederkehrenden Fragen und Einwände gilt dieser Befehl Christi heute mit besonderer Dringlichkeit. Immer neue Umwälzungen zeigen, dass der Mensch sich auf einer Straße des Hasses befindet. … Die Liebe auch zu unseren Feinden ist der Schlüssel, mit dem sich die Probleme der Welt lösen lassen. Jesus ist kein weltfremder Idealist, sondern ein praktischer Realist.“

So weit dieses Zitat von Martin Luther King. Er war der Überzeugung: Gewalt lässt sich nur durch gewaltlosen Widerstand überwinden.

Eine solche Position erfordert enorm viel Widerstandskraft. Ich habe Fernsehbilder aus dieser Zeit vor Augen, in denen die Sicherheitskräfte voller Hass auf Demonstranten einprügelten - ohne dass diese zurückwichen oder zurückschlugen. Beeindruckend, in so einer Situation dem Hass zu widerstehen aus dem Geist der Liebe heraus!

Eine alttestamentliche Losung für das Pfingstfest verspricht: „Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht Gott“. Und der Apostel Paulus bekennt: Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig! Und genau in diesem Sinne mutet der Geist von Pfingsten den Menschen in der Nachfolge Jesu zu: Verzichtet auf Gewalt - denn nur so kann sich die Liebe Gottes in dieser Welt durchsetzen.

Martin Luther King sieht in der Wahrheit und in der Liebe die beiden mächtigsten Waffen, um dem Hass entgegen zu treten, dem Hass auf Menschen mit anderer Hautfarbe, den Hass auf Menschen mit anderer kultureller Herkunft oder mit einer anderen Religion.

Leider ist der hasserfüllte Rassismus ja nicht nur ein Problem der amerikanischen Gesellschaft in den 1960er Jahren und bis heute. Auch in unserer Gesellschaft in Deutschland zeigen sich in den letzten Jahren Rassismus und Hass auf die so genannten Anderen wieder unverblümt, unter unterschiedlichen Vorzeichen. Sei es, dass Juden Gefahr laufen, bedroht zu werden, wenn sie mit einer Kippa auf dem Kopf allein in der Stadt unterwegs sind. Sei es, wenn eine Muslima, die ein Kopftuch trägt, auf der Straße angemacht wird. Oder wenn Menschen mit schwarzer Hautfarbe erleben, dass sie ausgegrenzt werden, dass sie nicht als Deutsche angesehen werden, obwohl sie hier geboren und aufgewachsen sind.

Gottes Liebe geht unter die Haut … damit aus Fremden Freunde werden.

Das Motto unseres diesjährigen Pfingstgottesdienstes macht deutlich: Gottes Liebe in Jesus Christus lässt Menschen nicht unberührt. Sie können diese Botschaft nicht wirklich wahrnehmen, ohne sich zugleich einzusetzen für Menschen, die unter Rassismus, Armut und Krieg leiden. Ich bin froh, dass die Arbeit in unseren Kirchengemeinden und kirchlichen Einrichtungen immer wieder von einem Engagement in diese Richtung geprägt ist!

Zugleich zeigt die Botschaft von Pfingsten den Weg, wie wir in einer globalen und vielfältig vernetzten Weltgesellschaft miteinander leben können. Martin Luther King hat diese Herausforderung anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises an ihn im Jahr 1964 folgendermaßen beschrieben: „Wir haben gelernt, die Luft zu durchfliegen wie die Vögel und das Meer zu durchschwimmen wie die Fische, aber nicht die einfache Kunst, als Brüder zusammen zu leben … Und dies ist das gewaltige neue Problem der Menschheit. Wir haben ein stattliches Haus geerbt, ein großes „Welthaus“, in dem wir zusammen leben müssen - Schwarze und Weiße, Menschen aus dem Osten und dem Westen, Heiden und Juden, Katholiken und Protestanten, Moslems, Buddhisten und Hindus, eine Familie, die in ihren Ideen, ihrer Kultur und ihren Interessen übermäßig verschieden ist und die - weil wir nie mehr ohne einander leben können - irgendwie lernen muss, in dieser großen Welt miteinander zu leben.“ So weit dieses Zitat.

Diese Worte beschreiben auch 50 Jahre später noch genau die Herausforderung in einer unumkehrbar globalisierten Welt. Abschottung vor den Fremden, vor denen in der Ferne und hier bei uns, das ist nicht der richtige Weg. Es geht vielmehr darum, die Begegnung zu suchen und einander kennen zu lernen. Das Internationale Fest heute Mittag und Nachmittag im Dominikanerkloster ist eine gute Gelegenheit dafür!

Denn die Botschaft von Pfingsten besagt: Gottes Geist verbindet Menschen über alle Grenzen und Unterschiede hinweg. Er bewegt Menschen, sich für den Anderen einzusetzen. Der Heilige Geist motiviert Menschen, dem Hass entgegen zu treten. Denn Gottes Liebe geht unter die Haut. Amen.


Autorin

Bettina Behler 342 Artikel

Bettina Behler, Medieninformation Evangelische Öffentlichkeitsarbeit Frankfurt und Offenbach