Nichts ist gut in der Ukraine. Warum wir schuldig werden.
Die Lego-Stadt war groß und bunt geworden. Gebäude, Plätze, Fahrzeuge und natürlich eine Eisenbahn. Gut vier Wochen hatten die Tochter und ich damals daran gebaut. Viel Spaß hatten wir dabei gehabt. Aber eines Tages kam ich nach Hause, und alles war zerstört. Was war geschehen? Die Tochter hatte mit einem Freund nachgespielt, was sie in Radio und Fernsehen gesehen und gehört hatte: Es war die Zeit des zweiten Golf-Krieges und die Kinder hatten Krieg gespielt. Die Stadt war zerstört. Sie glich einem Trümmerfeld.
Damals wie heute gilt diese elementare Erkenntnis: Krieg bringt Zerstörung, Tod und Verderben. Ganz so wie die Kinder es spielten. Lässt sich das verhindern?
Für Christinnen und Christen, so dachten wir, sollte doch die Maxime gelten: Frieden schaffen ohne Waffen. Und jetzt? Ist die Aufstockung der Wehr-Etas, sind die Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet wirklich alternativlos?
Der zum Philosophischen neigende Vizekanzler Robert Habeck sagte in der Bundestagsdebatte am 27. Februar, die Maßnahmen seien richtig. Und fragt zu gleich: „Aber ob sie auch gut sind?“
Der eingeschlagene Weg der sich tapfer verteidigenden Ukrainer und Ukrainerinnen hat auch meine Sympathie. Es freut einen irgendwie ja auch, wenn die russische Armee nicht so recht vorankommt. Doch dies alles kostete schon jetzt vielen tausend Menschen ihr Leben. Auf beiden Seiten.
Vorsichtig mahnt der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung: Selbst wenn angesichts der aktuellen Lage der menschliche Wunsch, „die zu vernichten, die Böses wollen“, verständlich sei, stehe dagegen „die große Botschaft der Versöhnung und des Friedens“. Auch Jung hat Verständnis für die Menschen in der Ukraine. „Es ist absolut nötig, der Aggression entgegenzutreten“, sagt er. Aber dass müsse „so geschehen, dass die weitere Eskalation von Gewalt vermieden wird. Frieden muss das Ziel sein, und die Versöhnung der Menschen, die gegeneinanderstehen.“
Anders der CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz. Er sprach in jener Bundestagsdebatte der Friedensbewegung der vergangenen Jahrzehnte ihre Legitimation ab: „Lichterketten, Friedensgebete, Ostermärsche seien „eine schöne Sache“, aber „mit Moral allein wird die Welt um uns herum nicht friedlich. Schon gar nicht mit der angeblich besseren Moral, die immer wieder auch in Deutschland vorgetragen wird.“ Gute Worte hätten der Ukraine nichts genutzt, auch Deutschland müsse „endlich bereit sein, in dieser Welt seine Interessen zu definieren. Vor allem bereit sein, diese Interessen auch durchzusetzen. Dazu zählt nicht nur, aber auch die Fähigkeit, das eigene Territorium und die eigene Bevölkerung wirksam gegen jedwede Gewalt und Nötigung zu schützen und zu verteidigen.“
Für Merz ist der klassische Konflikt zwischen Verantwortungsethik und Gesinnungsethik offenbar entschieden. Aber die Kirche darf und muss auch auf die Ethik des Neuen Testaments hinweisen. Doch was bedeutet das? Auf Widerstand verzichten und sich überrollen lassen von der Armee eines machthungrigen Despoten? Ja, das ist schwer vorzustellen. Und doch, so meine ich, müssen Christinnen und Christen über solche Alternativen nachdenken. Töten kann nicht die Lösung sein. Gandhi und Martin Luther King haben vorgemacht, wie gewaltfreier Widerstand aussehen kann. Frieden schaffen ohne Waffen bleibt das Ziel, denn mit Waffen gelingt der Frieden nicht. Und das Tötungsverbot aus den Zehn Geboten gilt nach wie vor.
Die Wirklichkeit hat uns alle eingeholt. Robert Habeck muss man womöglich antworten: Nichts ist gut in der Ukraine. Und ob es richtig ist? Egal, wie wir uns bei Waffenlieferungen entscheiden: In diesem Konflikt haben wir alle verloren. Wer zuschaut, wird schuldig. Wer Waffen liefert, wird auch schuldig. Diesem Widerspruch kann man nicht entkommen. Nichts ist gut.
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Danke