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Mit fast 100 gestorben – die erste Pfarrerin der EKHN Waltraud Hübner

In Frankfurt-Zeilsheim fing die aus Chemnitz stammende Theologin mit 37 Jahren als Pionierin an – und sorgte mit Bau-Elan, Band und großem Engagement für einen Rollenwandel im Pfarramt.

Waltrau Hübner  |  Foto: Wilhelm Dietz/Grafik: Felix Volpp
Waltrau Hübner | Foto: Wilhelm Dietz/Grafik: Felix Volpp

Waltraud Hübner, die 1961 in der Gemeinde Taunusblick in Frankfurt-Zeilsheim als erste Frau in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) eine Gemeindepfarrstelle angetreten hat, ist kurz vor ihrem 100. Geburtstag in ihrem Haus in Bernhardswald/Bayern verstorben. 37 Jahre alt war sie, als sie das Amt in der von sozialem Wohnungsbau geprägten Siedlung im Westen Frankfurts antrat und hatte schon einige Lebensstationen hinter sich.

Am 30. August 1924 wurde Waltraud Hübner als zweite Tochter eines christlich engagierten Fabrikanten in Chemnitz geboren. Von der Volksschule über die Wirtschaftsoberschule führte ihr Weg auf eine Mädchen-Oberschule, wo sie das Abitur ablegte. Arbeitsdienst und Kriegshilfsdienst folgten, das im Zweiten Weltkrieg für ein Semester aufgenommene Medizinstudium setzte Hübner nicht fort, nach 1945 arbeitete sie zunächst als Lohnbuchhalterin im elterlichen Betrieb. Unter dem Eindruck der NS-Verbrechen, des Krieges und der Massenmorde in den Konzentrationslagern, habe sie sich für die Theologie entschieden, weil sie den Menschen seelischen Halt habe geben wollen, sagte Hübner in einem Zeitungsinterview.

Mit 24 Jahren begann Waltraud Hübner in Berlin das Theologiestudium, sie gehörte zu den Absolventinnen des ersten Vikarinnnenkurses in Berlin-Spandau. Dem folgte eine Dozentinnen-Stelle der krichlichen Bildungsstätte Burckhardthaus, zunächst in Berlin, später in Gelnhausen.1959 ermöglichte die EKHN Frauen den vollen Gemeindedienst, im Oktober 1960 übertrug die Kirchenleitung der EKHN Waltraud Hübner die Zeilsheimer Stelle als Gemeindepfarrerin, am 1. Januar 1961 trat sie sie an.

Die Besetzung des Postens mit einer Frau sei „mit gemischten Gefühlen und manchen Vorurteilen aufgenommen worden“, heißt es in einem Beitrag der Publikation „Frauen im Talar – ein Stück Frankfurter Kirchengeschichte, herausgegeben von Helga Engler-Heidle und Marlies Flesch-Thebesius“. Der Pfarrer der „alten“ Stadtteilgemeinde habe 1964 konstatiert, „daß eine fraulich-mütterliche Hand für einen ,Heranwachsenden' wie es die Gemeinde im Taunusblick ist, ganz gut tut“, heißt es in dem Beitrag zu Waltraud Hübner.

Respekt habe sie sich durch die Umsetzung des Bauvorhaben Gemeindezentrum verschafft. Jugendarbeit lag ihr am Herzen, da konnte es auch schon mal rockig bei Gottesdiensten mit Band zugehen, Familiengottesdienste führte Hübner ein, sie selber lebte zusammen mit ihren Eltern in Zeilsheim, blieb unverheiratet. „Bei den vielseitigen Angeboten ihrer Gemeinde Theaterspielen, Lesen, Singen, Gesellschaftsspiele….-war ihr immer der Bezug zum alltäglichen Leben wichtig“, heißt es in „Frauen im Talar“. Nach der Vollendung des Kirchenbaus, nutzte Hübner ihre Energie neben der Gemeindearbeit für Übergemeindliches, engagierte sich im Dekanatssynodalvorstand und in der Landessynode.

Waltraud Hübner wechselte nach 18 Jahren als Gemeindepfarrerin in Frankfurt-Zeilsheim mit Mitte 50 ins Sonderpfarramt nach Wiesbaden, zunächst als Altenheimseelsorgerin, später als Klinikseelsorgerin. Auch in der Landeshauptstadt engagierte Waltraud Hübner sich im Dekanatssynodalvorstand. 1986 ging sie, etwas früher als vorgesehen, in den Ruhestand, pflegte in den folgenden zwei Jahren ihre Mutter, die einen Schlaganfall erlitten hatte und gelähmt war.

In dieser Zeit baute die Theologin von Wiesbaden aus im Bayerischen ein Haus aus. Von dort aus war sie weiterhin aktiv, wirkte unter anderem bei Ost-West-Begegnungstagen mit, empfing viele Gäste,– so lange ihre Gesundheit das zuließ.

Auch den Kontakt nach Zeilsheim hielt Hübner – mit einem Sektglas in der Hand lichtete der Zeilsheimer Kirchenvorstand Wilhelm Dietz sie 2012 aus Anlass der 100-Jahr-Feier der historischen Kirche im Kirchgarten ab.


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Bettina Behler 321 Artikel

Bettina Behler, Medieninformation Evangelische Öffentlichkeitsarbeit Frankfurt und Offenbach