Loriot: Das Absurde im Alltag der bürgerlichen Gesellschaft
Neulich ist es wieder passiert. „Der Hund muss mal raus.“ „Wir könnten doch mal wieder ins Theater gehen.“ „Du wolltest noch deinen Freund anrufen.“ Eine Frau bombardiert ihren Mann mit Vorschlägen, aktiv zu werden. Plötzlich muss er grinsen und antwortet: „Ich möchte einfach nur hier sitzen.“ Da muss auch die Frau lachen.
Loriots Humor ist fest im kollektiven Gedächtnis der Deutschen verankert. Am 11. November diesen Jahres wäre er hundert Jahre alt geworden; viele seiner Sätze treffen aber so den Nagel auf den Kopf, dass sie nicht in die Jahre gekommen sind. Sondern im Gegenteil, zu geflügelten Worten: „Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen.“ „Ja, wo laufen sie denn?“ „Früher war mehr Lametta.“
„Loriot“ steht für Vicco von Bülow, dessen altes preußisches Adelsgeschlecht den Pirol als Wappenvogel führt - „Loriot“ ist schlicht die französische Übersetzung. Aber was macht den Humor dieses begabten Texters, Zeichners, Moderators, Schauspielers und Regisseurs aus? Das Wichtigste sicher sein untrüglicher Blick für das Absurde im Alltag der bürgerlichen Gesellschaft, das er unnachahmlich spielerisch in Worte, Bilder, Trickfilme und knollennasige Männchen umsetzen konnte.
In seinen Zeichnungen und Sketchen nahm er mit Vorliebe das Aneinander-Vorbei-Reden, Gestelztes, Aufgesetztes, Steifes und Spießiges aufs Korn. Ikonisch etwa die beiden Herren, die versehentlich in derselben Badewanne landen und sich im Beamtenton über den Verbleib des Quietsch-Entchens streiten: „Herr Müller-Lüdenscheid … !“.
Loriots Humor ist nie verletzend oder herablassend, eher höflich, der Humor eines Gentleman - aber eben genau, treffend. Dazu gehört wesentlich, dass er sich nicht nur über seine Mitmenschen lustig machte, sondern auch über sich selbst. Bei seiner Antritts-Vorlesung als Honorarprofessor kurz nach seinem 80. Geburtstag wies er etwa darauf hin, dass Menschen zwischen dem achten und neunten Lebensjahrzehnt zu interessanten Gedächtnislücken neigen. Das gemeinsame Schließen dieser Lücken festige aber den Zusammenhalt zwischen Lehrenden und Lernenden, fügte er gut gelaunt hinzu.
„Zum Nostalgischwerden“, sagte Kulturdezernentin Ina Hartwig bei der Eröffnung der Ausstellung zu Loriots 100. Geburtstag im Caricatura Museum Frankfurt „Ich nehme wahr, dass sich die Gemütslage in der Gesellschaft inzwischen verändert hat.“ Loriots Selbstironie, sein subtiler, entspannter und alltagstauglicher Humor bleiben vorbildlich. Die Ausstellung, die auch unbekannte Zeichnungen und Filme zeigt, ist noch bis 25. Februar 2024 zu sehen.